Paris-Tipp: Flanieren am Bassin

Langsam gleitet auf dem Bassin de la Villette ein Ausflugsboot vorbei. Boule-Kugeln klacken vor der „Bar Ourcq“ – zwei Teams spielen gegeneinander. Leihen kann man sich die Kugeln für das Pétanque-Spiel gratis in der Bar. Ihr Besitzer Jérôme Naccache sitzt an einem Tisch und sichtet Rechnungen. Beinahe 15 Jahre schon betreibt er die Bar, sie ist eine kleine Institution hier am Bassin im Nordosten von Paris. Naccache erinnert sich: Damals hatte diese Ecke die Pariser kaum interessiert. Erst als das beliebte Doppelkino MK2 an beiden Ufern erbaut wurde, lockte das die Leute hierher. „Heute haben wir hier den Ansturm der Bobos wie in den anderen Vierteln“, sagt Naccache. Bobos, Bourgois-bohèmes, so nennen die Franzosen die alternativen Wohlstandsbürger.

Boote am Bassin de la Villette

Am Bassin de la Villette ist eine der schönsten Promenaden der Stadt, hier findet man Ruhe vor Autolärm und auch vor Touristen. Naccache mag das Flair. „Jungs aus den nördlichen Vorstädten, orthodoxe Juden, Obdachlose, Künstler, Bobos – sie alle kommen hierher.“ Im August veranstaltet die Stadt auch einen Ableger der Strand-Aktion „Paris Plages“ hier am Wasser.

Ein paar Schritte weiter sitzen auf der Terrasse des „Pavillon des Canaux“ zwei Frauen bei Kuchen und Tee. Aus dem früheren Kanalwärterhäuschen ist ein hübsches Café geworden, manchmal gibt es Kinderprogramm, Pilates und Workshops. Schüler ziehen aus dem Bootshaus nebenan Kanus und damit auf dem Wasser ihre Bahnen. Auf der Terrasse des Brauhaus „Paname Brewing Company“ schauen ihnen Leute bei einem Nachmittagsbier zu.

Man kann das Bassin auch auf einem Fußgängersteg überqueren.

Das Bassin lässt sich schön umrunden vorbei an den zu Wohnhäusern umgebauten Lagerhallen auf die andere Uferseite – am besten über die letzte Hebebrücke von Paris in der Rue de Crimée. Dieser „pont levant“ grenzt das Bassin ab vom Canal de l´Ourcq, der hochführt zum Parc de la Villette mit seinen Konzerthallen, der bei Kindern beliebten Cité des Sciences et de l´Industrie und der neuen Pariser Philharmonie. Erbaut wurde die Hebebrücke 1884 von demselben Betrieb, der die Fahrstühle des Eiffelturms installierte. Zirka 9000 Mal im Jahr hebt und senkt sich die Stahlbrücke, von einer Fußgängerbrücke nebenan kann man das Spektakel gut beobachten.

Kleine Zwangspause: Warten an der Hebebrücke (gerade oben), bis die Boote durch sind.

Wenn man dann auf der anderen Seite zurückläuft kommt man bei der Rue Riquet an den Bars „Le Bellerive“ und „Le Bastringue“ vorbei, wo die Einheimischen am späten Nachmittag beim Aperitif sitzen und gen Wasser schauen, als läge Paris am Meer. Etwas weiter dann liegen fest vertäut zwei Péniches, zwei alte Kähne, die zur Bar bzw. Bar-Theater umfunktioniert wurden. Wer aktiver sein will und nicht nur beim Glas Wein sitzen will, kann beim benachbarten Bootsverleih sich ein Boot leihen und ein bisschen umherkurven auf dem Wasser. Sogar für Kinder gibt es eine Boote – nur die Preise fürs Leihen erinnern daran, dass man in Paris ist und nicht an einem Strand in der Provinz.

Bar Ourcq, 68, Quai de la Loire, in der kälteren Jahreszeit nur Do, Fr, Sa, So ab 15 Uhr; Pavillon des Canaux, 39, Quai de la Loire, täglich ab 10 Uhr; Métro: Jaurès

Paris-Tipp: Kleine Flucht vor Touristen

Louvre, Eiffelturm, Montmartre – irgendwann ist es gut mit dem Pariser Touristen-Pflichtprogramm. Dann will man einfach mal eine normale Straße entlanglaufen mit Einheimischen-Anteil von mindestens 80 Prozent. Bummeln, Bistro, Boutiquen, ein bisschen Normal-Paris.

Man nehme: die Rue du Château d´eau. Kommt man aus der gleichnamigen Metrostation ans Tageslicht, fallen die vielen Afro-Friseursalons auf mit Namen wie „African Queen“ oder „Senegal beauté“. Junge afrikanischstämmige Männer auf dem Gehsteig versuchen, weibliche Kundschaft in die Salons zu locken. „Ich hab doch schon woanders einen Termin“, sagt eine schwarze Frau, lacht und läuft weiter.

Ein Afro-Salon in der Rue du Château d´eau

Ab dem Rathaus des 10. Arrondissements wird die Rue du Château d´eau ruhiger. Vor dem Feuerwehrgebäude rollen die Pompiers ihre Schläuche für eine Übung aus. Gegenüber im überdachten Markt „Marché Saint Martin“ (Hausnummer 31-33, Di bis Sa 9 bis 20 Uhr, So 9 bis 14 Uhr) gibt es Käse und Wurst für ein Picknick, das man an einem warmen Tag am Ende dieses Spaziergangs am Canal Saint-Martin machen könnte.

Die Gentrifizierung ist längst auch in diesem Viertel voll im Gange, und dennoch hat so mancher traditionelle Metzger und Handwerker überlebt. Vorbei an Wein- und Spielzeugläden, den sich überall in Paris vermehrenden Coworking-Spaces, dem bei Anwohnern beliebten Bistro „Le Petit Château d´Eau“, wo es mittags eine Plat du jour für 13 Euro gibt (Hausnummer 34), erreicht man die Galerie L´oeil ouvert (1, Rue Lucien Sampaix), die meist erschwingliche Drucke, Bilder und Fotos von Pariser Künstlern verkauft. Man sollte unbedingt noch einen Abstecher machen in die Trésorerie, einem Laden mit allerhand Küchen- und Wohnaccessoires im schwedischen Design (11, Rue du Château d´eau). Und groß gewordene Mädchen werden schwärmen von den Taschen und Kettchen im kleinen Atelier des Couronnes (Hausnummer 6), in dem die beiden Pariserinnen Louise Damas und Claire Rischette ihre Schmuck- und Lederideen Wirklichkeit werden lassen.

Wer gen Osten blickt, sieht schon die Bäume auf der Place de la République, dem Platz, an dem sich die Pariser nach den Terroranschlägen versammelt haben – eine Gedenkplatte vor einem Baum erinnert dort daran. Aber halt, lieber wieder ein paar Schritte zurückgehen in die Rue de Lancry Richtung Canal Saint-Martin. Ein Schreibwarenladen, dann das Schild „Spaghettina“. Viele Franzosen denken, hier gibt es Spaghettigerichte. Aber es ist eine Deutsche, die hier leckeres Spaghetti-Eis verkauft (61, Rue de Lancry, Mi bis Sa 13h-19 Uhr, So 14h-18h. Im Winter oft geschlossen).

Schnecken schauen Dich verführerisch an… in der beliebten Boulangerie Du Pain et des Idées, die leider aber am Wochenende geschlossen ist.

Daneben ein koreanisches Restaurant, „Guabao Saam“, dem die Pariser geradezu die Bude einrennen. Statt gleich geradeaus zum Canal Saint-Martin zu gehen, sollte man abbiegen zur Bäckerei Du Pain et des Idees (34, Rue Yves Toudic, Mo bis Fr ), nicht nur wegen der wunderbaren Rosinenschnecken, auch wegen seines schönen Interieurs mit viel Gold und Spiegeln.

Wer Paris nicht verlassen will ohne ein neues Kleidungsstück, der findet in der nahen Rue de Marseille und Rue Beaurepaire eine hohe Boutiquendichte. Am Ende liegt am Canal das Szenecafé „Chez Prune“ (36, Rue Beaurepaire). Hier lässt es sich gut draußen sitzen bei einem Glas und Pariser beobachten – wie die Pariser es selber gerne tun.

Viele Geschäfte öffnen erst um 11 Uhr, am Sonntag und Montag haben die meisten geschlossen. Métro: Château d´eau

Paris-Tipp: Rauf aufs Dach

Wenn am Abend das Kaufhaus BHV im Marais-Viertel schließt, bildet sich am Hintereingang eine Schlange. Dann dürfen ihm nämlich die Pariser aufs Dach steigen. Der Aufzug saust in den 7. Stock, ein muffiger Kaufhausgang führt hinaus auf die Terrasse des „Le Perchoir“.

Das prächtige Hôtel de Ville und in der Ferne der Eiffelturm mit Laserstrahl

Eine Holzterrasse unter einem schützenden weißen Zeltdach, Olivenbäumchen, Holzhocker an niedrigen Tischen. Der Tresen ist mit Baumscheiben verkleidet, Lichterketten sorgen für angenehme Schummrigkeit. Wer in der kalten Jahreszeit den Plastikwindschutz zur Seite schiebt, der wird belohnt mit einem traumhaften Blick auf Paris.

Aliénor Bernardie hatte sich früh in der Schlange vor dem Kaufhaus angestellt und hat nun direkt am Rand der Terrasse einen Platz ergattert. Sie blickt auf das angestrahlte Rathaus, das Hôtel de Ville, in der Ferne leuchtet der Eiffelturm. Die 30-Jährige Pariserin ist mit ihrem Vater hier, weil sie ihm diese Aussicht zeigen will. „Wir Pariser lieben Rooftop-Bars“, sagt sie. „Wir steigen nicht auf den Eiffelturm, weil wir die Touristenecken meiden.“ Trotzdem sehne sie sich nach dem Blick von oben auf ihre Stadt. „Paris ist außerdem so eng, so dicht bebaut, und hier oben habe ich das Gefühl, dass ich Platz habe.“

Cocktails schlürfen über den Dächern der Stadt

„Le Perchoir“ hat auch auf einem Wohnhaus im Stadtteil Belleville und in den Sommermonaten auf dem Gebäude des Ostbahnhofs einen Ableger. Schöne Ausblicke, Beats vom DJ, Cocktails und das Gefühl, dem Pariser Himmel ein Stück näher zu sein: Das treibt die Franzosen auf die Dächer.

Auch einige Hotels laden ein nach oben – etwa das Terrass-Hotel auf dem Montmartre-Hügel. Einheimische und Hotelgäste teilen sich die Dachterrasse. Heizstrahler wärmen im Winter. „Ich freue mich jeden Tag über diesen Blick“, sagt der Kellner, „auch wenn er ein bisschen morbide ist.“ Denn wer nicht in die Ferne zum Eiffelturm blickt, sondern steil nach unten, der sieht direkt auf die Gräber des Friedhofs Montmartre, wo Berühmtheiten wie Heinrich Heine oder Jacques Offenbach bestattet sind.

Le Perchoir auf dem BHV im Marais, Mittwoch bis Samstag 20.15 bis 1.30 Uhr, im Sommer jeden Abend geöffnet, Eingang hinter dem BHV in der 37, rue de la Verrerie.

https://leperchoir.tv, Métro: Hôtel de Ville.

Dachterrasse des Terrass-Hotel, 12-14, Rue Joseph de Maistre, geöffnet ab 15.30 Uhr bis 1 Uhr. Das Personal an der Hotelrezeption zeigt Ihnen, wo der Aufzug nach oben in die 7. Etage ist. Es gibt dort auch ein Restaurant – dafür muss man aber reservieren.

http://www.terrass-hotel.com, Métro: Blanche, Abessess

Blick von oben auf die Gräber des Friedhofs Montmartre und auf den Eiffelturm – vom Terrass-Hotel

Paris-Tipp: Schöne Knochen

Gleich am Eingang bekommt man erst mal einen Schreck. Dutzende Skelette schauen einen an: von einem Seelöwen, einem Panda, einem Okapi. Eine 80 Meter lange Museumshalle voller toller Tiere. Allerdings nur ihre Knochen.

Schüler sitzen auf dem Boden und machen Skizzen von den Skeletten in ihre Zeichenblöcke, ihre Lehrerin blickt ihnen gelegentlich über die Schulter. Die Galerie de Paléontologie et d’Anatomie Comparée ist Teil des nationalen Naturgeschichtlichen Museums im Jardin des Plantes, dem bei den Parisern so beliebten Park neben dem Bahnhof Gare d´Austerlitz.

Die einen sammeln Briefmarken, andere Skelette.

Generationen von Franzosen staunten bereits über diese außergewöhnliche Wirbeltier-Sammlung von Fleisch- und Pflanzenfressern. Ein fünfjähriger Orang-Utan mit großer Zahnlücke, mehrere Schimpansen und Gorillas schauen die Besucher an mit ihren tiefen Augenhöhlen. Vitrinen sind voller Hundeschädel oder Gebisse von Bären. Fragile, zarte Skelette von Vögeln und Fröschen sind hier ausgestellt und nur wenige Meter weiter die kräftigen Knochen eines Elefanten aus Asien oder eines Wal-Skeletts. Auch wenn man eigentlich nur Knochen sieht: Man hat dennoch das ganze Tier vor Augen.

Bis zu 1000 Skelette, Eier und Organe sind hier im Erdgeschoss ausgestellt. Einer Riesenschildkröte kann man durch ihr Skelett auf ihr Panzerinneres sehen, und der Alligator vom Mississippi verliert auch nicht in abgespeckter Form seine Kraft, einem Angst einzuflößen.

Gruselig wird es bei den Vitrinen mit den Python- und Wildschweinherzen oder Lama- und Tiger-Lebern. Und es geht noch morbider: Gläser mit konservierten Gehirnen, Mägen und Zungen. Bei der Vitrine mit der Überschrift „monstres“ mit den Tier-Missgeburten drückt man auch mal gerne die Augen zu.

Der aufrechte Gang war bei diesen Exemplaren noch nicht angesagt.

Es ist das perfekte Museum für Regentage, wenn man den Touristenmassen im Louvre oder Musée d´Orsay aus dem Weg gehen will. In dieser Sammlung der vergleichenden Anatomie gehen die Pariser auch gerne mit ihren (freilich nicht zu jungen) Kindern, die dann meist völlig fasziniert sind. Nicht nur, weil sie hier das Skelett des Rhinozeros von Ludwig XV. anschauen können. Sondern weil im ersten Stock bei den Wirbeltier-Fossilien auch Skelette von Dinosauriern stehen.

Wer hier über das knarzende Parkett läuft, der ahnt: Eigentlich ist das Museum selbst reif für ein Museum. Nicht nur weil es bereits 1898 eröffnet wurde. Sondern weil es aus einem Jahrhundert stammt, wo man noch glaubte, alles in der Natur sammeln, mit Schreibmaschine und Zettelchen beschriften und somit die gesamte Tierwelt klassifizieren und bändigen zu können. Der Gang in dieses Museum ist eine Zeitreise – kein Wunder, dass es gerne genutzt wird für Film- und Interviewdrehs.

Fossilienfans werden jauchzen vor Glück, da die beiden oberen Stockwerke voll damit sind. Wer nach dem Besuch merkt, dass ihm die Skelette aufs Gemüt schlagen, der muss nur wenige Meter gehen zur anderen Seite des Jardin des Plantes: In die Manège, dem hübschen kleinen Zoo mit lebendigen Tieren.

Knochen, die auch Kinder begeistern.

Adresse: 2, rue Buffon, Metro: Gare d´Austerlitz

http://www.mnhn.fr/fr/visitez/lieux/galerie-paleontologie-anatomie-comparee

Paris-Tipp: Kuchen bei La Bossue

Das Leben ist zu kurz, um keinen Kuchen zu essen. Nur essen die Franzosen ihn oft als Nachtisch zum Mittag- oder Abendessen und nicht wie wir Deutschen gerne gegen drei oder vier Uhr am hellerlichten Nachmittag. Kaffeekränzchen in Paris, das geht zwar, man muss nur wissen, wo.

Neulich sah ich in der blauen Stunde auf dem Montmartre durch ein Schaufenster in ein angenehm erleuchtetes Café. Ich ging näher ran, und entdeckte im Innern einen Tresen voller Rührkuchen, Madeleines, Financiers, Scones, und eine Art doppelte Ischler Törtchen mit zwei Löchern, „lunettes“ genannt.

Am Ende eines langen Nachmittags sind die Kuchen kürzer geworden (ich bekenne mich mitschuldig).

Am Ende eines langen Nachmittags sind die Kuchen kürzer geworden (ich bekenne mich mitschuldig).

„La Bossue“ heißt diese Pâtisserie, und das warme Licht lockte mich gleich ins Innere. Ein schmaler Vintage-Teesalon, runde Marmortische und ein länglicher Holztisch, alte Holzstühle und mit Fell überzogene kleine Hocker. Spiegel aus dem vergangenen Jahrhundert an den Wänden und Blumenampeln an der Decke, alte Schwarzweiß-Familienfotos, grüne Tapete mit Baummuster. Hier soll es sein wie bei Oma. Diese Retro-Orte lieben die Franzosen ja sehr. Wohl gerade auch in dieser Zeit, in der die Globalisierung – die le Nachbar „mondialisation“ nennt – es ihrer Wirtschaft schwer zu schaffen macht. Freundinnen führen hier Mädchengespräche, Väter spendieren am späten Nachmittag ihren Kindern das berühmte französische „goûter“, eben einen kleinen Kuchen, damit die Kleinen durchhalten bis zum Abendessen.

Viele Plätze gibt es hier nicht. Vorne am Tresen wird nach dem Eintreten erst mal Halt gemacht, gesichtet, was heute vernaschbar ist, und man wartet, dass man gesetzt wird. (Manche Besucher lassen sich Kuchen auch zum Mitnehmen einpacken.) Im hinteren Teil ist seitlich die Backstube, in der die junge Besitzerin Caroline gerade den Rührteig für einen Schokokuchen in eine Form streicht. „La bossue“ bedeutet die Bucklige. Dieses Oma-Kaffee mit großer Teeauswahl führt aber keine Oma, sondern eben zwei junge Franzosen, die auf saisonale und lokale Zutaten Wert legen.

Welcher Kuchen heute verdrückt werden kann, hänge von der Jahreszeit, vom Wetter und davon ab, wie die Sterne stünden, steht in der Karte. Das zeigt: Wer Kuchen liebt, hat auch Humor. Und wer Humor hat, der schneidet einem auch ein ordentliches Stück ab. Mein saftiges Pamplemousse-Kuchenstück ist fast fünf Zentimeter breit. 3 Euro dafür und für den Darjeeling 4,50 Euro, heissa, für den Montmarte sind das Preise, wo man sich doch gleich noch ein Stück am Tresen zu erbitten traut.

Am Ende der Rue des Abesses auf dem Montmartre: La Bossue

Am Ende der Rue des Abesses auf dem Montmartre: La Bossue

Hier verkehren Pariser. Denn die Touristen, die das Viertel ja gerne überrennen, biegen schon an der Kreuzung vorher ab, um in der Rue Lepic ins „Café des Deux Moulins“ zu stürmen, das durch den Amélie-Poulain-Film große Berühmtheit erlangte. Im Bossue dagegen wollen die Einheimischen Oma-Wärme tanken. Schon zum Frühstück, oder mittags bei Salaten, Quiches, Croque-Monsieurs oder Suppen. Am Wochenende drängt man sich hier zum Brunch, vor 15 Uhr kriegt man deswegen keinen Platz.

La Bossue, pâtisserie-comptoir

Mittwoch bis Freitag 8.30-19 Uhr, Samstag und Sonntag 10.30-19 Uhr

9, rue Joseph de Maistre, 75018 Paris, Metro: Blanche, Abesses

www.labossue.com, https://www.facebook.com/labossue/

Paris-Tipp: Brache für kurze Zeit

Paris hat keine Freiräume mehr, keinen Platz, keine Brachen? Gut, im Vergleich zu Städten wie Berlin kann Paris einfach nicht mithalten. Das Paris innerhalb der Ringautobahn ist tatsächlich ein kleines Städtchen im Vergleich zu anderen Metropolen. Paris hat nur 87 Quadratkilometer Stadtfläche (mit den Stadtwäldern Bois de Boulogne und Bois de Vincennes sind es 105 Quadratkilometer). Zum Vergleich: Berlin hat 892 Quadratkilometer, London 1500. Auf einem Quadratkilometer drängen sich in Paris 21000 Einwohner – damit zählt die Stadt zu den am dichtesten besiedelten in Europa.

Biergarten mit Kirchenblick

Biergarten mit Kirchenblick

Und doch tun sich immer wieder mal unerwartete Flächen auf. Wer in diesen Tagen nach Paris kommt und bei einem der lauen, trockenen Abende einen ungewöhnlichen Ort erleben möchte, der sollte an den Boulevard Richard Lenoir ziehen ganz in der Nähe der Bastille und des Canal Saint-Martin. Dort ist „la friche (Brache) Richard Lenoir“. Zwischen den Häusern tut sich plötzlich eine Lücke auf. Ein Sicherheits-Mann checkt kurz die Tasche, dann darf man eintreten. Seit wenigen Tagen kann man hier auf Palettenmöbeln sitzen oder sich auf Liegestühlen niederlassen. Am Rand ein paar Stände mit Essen: Italienisch, Thai, Indisch, Flammkuchen. Mittags kommen die Leute zum Essen, abends fließt viel Bier. Hier kann man relaxen mit Blick in den Pariser Himmel, auf Feuerschutzwände der angrenzenden Häuser und Mauern voller Graffiti – und vor allem direkt auf die imposante Fassade der Kirche Saint-Ambroise.

Oui, Paris kann auch Berlin

Oui, Paris kann auch Berlin

Eine kleine Boule-Bahn, sogar ein Kinderspielecke und ein Kicker. Auf einer kleinen Bühne gibt es am Wochenende abends Konzerte, an den anderen Tagen Kleinkunst. Am Wochenende kann man hier sogar Hilfe kriegen beim Radreparieren. Die, die sich selbst in Paris fühlen müssen wie in Berlin, werden hier anfangen zufrieden zu schnurren.

All das ist vorübergehend, denn die Stadt wird die Fläche zu einem öffentlichen Garten umbauen. Deswegen soll es am 6. November mit diesem ephemeren Biergarten wieder vorbei sein. „Vielleicht können wir hier ein oder zwei Monate länger bleiben, wenn der Winter mild wird“, sagt der Mann hinter der Freiluft-Theke. Trotzdem: Es ist ein Biergarten mit Countdown, von dem nur der zweite Teil des Wortes übrigbleiben wird. Immerhin.

La Friche Richard Lenoir, 66, boulevard Richard Lenoir, 11. Arrondissement, Métro Richard Lenoir oder Saint-Ambroise, kein Eintritt, täglich 12-21 Uhr

Paris-Tipp: Alltag nach dem Terror

Wer als Tourist in diesen Tagen durch Paris flaniert, der wird sich vielleicht wundern. Einerseits über die scheinbare Normalität in einer Stadt, in der mindestens bis Ende Mai noch der Ausnahmezustand gilt. Paris genießt die ersten Frühlingstage, die Terrassen sind voller Gäste. Und die Bars, welche die Terroristen am 13. November ins Visier nahmen, sind renoviert und gut besucht.

Andererseits spürt jeder die Folgen des Terrors im Alltag. Die Sicherheitsmaßnahmen kosten die Einheimischen und Touristen oft Zeit und Nerven. Nicht erst seit 2015. Denn die Pariser sind seit Jahren an den Sicherheitsplan gegen Terrorismus, den „Plan Vigipirate“, gewöhnt. Dazu kommt seit den Anschlägen auf die Redaktion des Satireblatts Charlie Hebdo im Januar 2015 noch die „Opération Sentinelle“ mit zahlreichen Soldaten und Polizisten in den Städten.

Touristen, die erstmals in Paris sind, wundern sich da manchmal. Worauf sollte man achten? Hier ein paar Tipps:

# An den Landesgrenzen gibt es verstärkt Kontrollen in den Zügen. Man muss deshalb gelegentlich mit leichten Verspätungen rechnen. Den Personalausweis sollte man immer dabei haben – auch beim Bummeln durch Paris. Auch auf der Autobahn kann es an der Grenze zu Kontrollen kommen.

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord: Wer Gepäck dabei hat, muss eine Kontrolle wie am Flughafen über sich ergehen lassen.

# Hin und wieder passiert es in den Bahnhöfen bei einer Reise mit dem TGV, dass Ihr Ticket schon vor dem Einsteigen in den Zug am Bahnsteig kontrolliert wird. Seien Sie deswegen mindestens 20 Minuten vor Abfahrt des TGV am Bahnhof – das betrifft zur Zeit vor allem die TGVs ab der Gare de Lyon nach Marseille und Lyon. Dort wird seit April zudem von der Police Nationale gelegentlich das Gepäck vor dem Einstieg kontrolliert. Begleitpersonen dürfen dann nicht mehr bis zur Einstiegstür für das Abschiedsküsschen mitkommen. Fahrgäste, die mit dem Thalys von Paris nach Deutschland fahren und Gepäck dabei haben, müssen flughafenähnliche Sicherheitsschleusen passieren. Dafür sollten Sie sogar noch mehr Zeit einplanen, das Thalys-Personal an der Gare de Nord empfiehlt 30 Minuten. Wichtig: Wer mit der Bahn reist in Frankreich, muss sein Reisegepäck mit Adress-Anhänger versehen.

# Egal ob im Theater, Museum, Konzertsaal, in Kirchen oder bei Sehenswürdigkeiten: Beim Einlass schauen die Sicherheitsleute kurz in Handtaschen und Rucksäcke. Gibt es Schleusen, läuft das ab wie am Flughafen: Metallene Gegenstände (Smartphone, Geldbeutel, Schlüssel, teils auch Gürtel) müssen in die Wanne für den Scanner. Üblich bei den Sicherheitskontrollen an Eingängen ist inzwischen auch, dass man den Mantel öffnen muss (einige der Attentäter vom 13. November trugen Sprengstoffgürtel).

# Wohl kaum ein Franzose würde verstehen, wenn Sie sich wegen der Kontrollen an Eingängen aufregen würden. Man lebt damit, denn nach den jüngsten Ereignissen möchte man das Maximum an Sicherheit. (Auch wenn man weiß: Es geht wohl meistens eher um ein Sicherheitsgefühl, das vermittelt werden soll.) Sogar bei den großen Einkaufszentren wie Forum les Halles, La Défense und Beaugrenelle muss man bei den Eingängen die Handtasche kurz aufmachen. (Zwei der Attentärer vom November hatten vor, auch in La Défense einen Anschlag zu verüben.) Selbst vor internationalen Institutionen oder Sprachschulen wie der Alliance Française ist eine Kontrolle am Eingang üblich.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlang, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlangt, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

# Lassen Sie nie eine Tasche, Tüte oder einen Rucksack irgendwo unbeaufsichtigt stehen – vor allem nicht in der Métro und in der RER. Auch nicht für kurze Zeit. Tagtäglich müssen Sie damit rechnen, dass es Verzögerungen, Zugausfälle und Streckensperrungen gibt bei Métro- und RER-Linien, weil herrenlose, verdächtige Gegenstände („colis suspects“) gefunden werden und dann zur Sicherheit unschädlich gemacht werden müssen. Allein auf der Strecke der RER A wurden 2015 täglich im Durchschnitt fünf colis suspects gemeldet – das waren doppelt so viele wie 2014.

# In Museen, Theatern oder bei Kulturveranstaltungen läuft wegen des Plan Vigipirate manches anders ab als früher. Deswegen: Es lohnt sich, vor dem Besuch auf die Website zu schauen. Beispiel: Eigentlich ist der Eintritt ins Fotografie-Museum Maison Européenne de la Photographie jeden Mittwochabend gratis. Aber weil es dadurch meistens zu einer langen Schlange auf dem Gehsteig kam, was man in diesen Zeiten vermeiden will, hat man dieses Gratis-Angebot gestrichen. (Trotzdem gibt es oft eine lange Schlange…) Manchmal sind auch zusätzliche Zweit-Eingänge zu Museen, Veranstaltungssälen oder auch Parks (wie dem Jardin du Luxembourg oder in Versailles) wegen des Plan Vigipirate derzeit geschlossen.

# Vor jüdischen Schulen und Kindergärten wie auch Synagogen sind Soldaten stationiert. Man sollte mit dem Auto nicht direkt vor den Eingängen dieser Einrichtungen anhalten, um zum Beispiel jemanden aussteigen zu lassen.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

# Große Gepäckstücke, Koffer und Rucksäcke darf man wegen des Plan Vigipirate weder mit ins Museum, Theater oder in einen Konzertsaal nehmen, noch kann man sie wie früher an der Garderobe abgeben. Im Louvre zum Beispiel sind nur Taschen erlaubt, die höchstens die Maße 55 x 35 x 20 Zentimeter haben, sie müssen dann an der Garderobe abgegeben werden. Kleinere Umhängetaschen sind kein Problem. Wenn Sie also nach dem Auschecken aus dem Hotel noch Zeit für ein Museum haben, lassen Sie das Gepäck am besten noch in Ihrem Hotel an der Rezeption zurück.

# Schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten gehören längst zum Stadtbild, gerade bei den beliebten Sehenswürdigkeiten. In Paris und in der Region Ile-de-France patrouillieren täglich 4000 bis 7000 Soldaten – der Einsatz trägt seit den Anschlägen vom Januar 2015 den Namen „Opération Sentinelle“. Passieren neue Anschläge wie kürzlich in Brüssel, wird die Zahl der Soldaten um mehrere hundert erhöht. Wenn Gruppen von Soldaten – etwa in der Métro oder RER – unterwegs sind: Sie mögen es manchmal gar nicht, direkt fotografiert zu werden und können sehr forsch reagieren.

Siehe auch: http://www.zeit.de/entdecken/reisen/2016-04/paris-tourismus-terror-sicherheit-alltag

 

Paris-Tipp: Kanal der Kuriositäten

Eigentlich ist er eine der größeren Touristenattraktionen in Paris. Aber seit Anfang Januar kann jeder deutlich sehen, dass er auch eine große Mülltonne ist: der Canal Saint-Martin. Er verbindet im Osten von Paris auf einer Länge von viereinhalb Kilometern das Bassin de la Villette mit der Seine. Momentan fehlt ihm sein Wasser. Der Grund: großes Reinemachen. Wer also in diesen Wochen nach Paris reist: Mit üblicher Canal-Romantik ist es gerade ein bisschen schwierig.

Canal Saint-Martin: kein Boot, nirgends

Canal Saint-Martin: kein Boot, nirgends. Dafür eine Toilette (links – zum Vergrößern klicken)

Trotzdem kommen viele Schaulustige her, stehen auf den Brücken und staunen. Es riecht wie im Watt, Möwen suchen im Schlamm nach Leckerlis. Derart  wasserlos ist dieser beliebte Pariser Kanal ein wahrer Kuriositätenkanal. Was da alles zum Vorschein kommt! Regenschirme, teils noch aufgespannt. Viele Motorroller. (Jeder Pariser Rollerbesitzer wird bei deren Anblick sich gut überlegen, ob er sein Gefährt noch einmal am Kanal abstellt.) Im Schlamm des Kanalbetts liegen zudem Stühle, Kinderwagen, Einkaufswagen, Koffer, Toiletten, Straßenschilder, Spritzen, Matrazen. Und Räder, Räder, Räder, vor allem viele Pariser Mietfahrräder, die beliebten Vélibs: Schon 100 Stück wurden aus dem Kanalschlick gezogen. Bergeweise Altglas sammeln sich im Kanalbett  – vor allem Bierflaschen. Und Dosen, Dosen, Dosen. Schon lange wird kritisiert, dass die betrunkenen Partypeople im Sommer am Rande des Kanals ihrem Müll einfach ins Wasser kicken.

Die Retter der Fische und ein Altglasberg in einer Schleuse

Die Retter der Fische und ein Altglasberg in einer Schleuse

Dass derzeit Tag für Tag viele Pariser zum Fotografieren herkommen, ist verständlich. So oft sieht man den Kanal nicht in diesem Zustand – und diese normalerweise verborgene Unterwasserwelt auch nicht. Das letzte Mal gab es die Säuberungsaktion im Jahr 2001. Damals wurden sogar zwei Granaten aus dem Ersten Weltkrieg, Goldstücke, leere Tresore und eine Parkuhr gefunden. Die Polizei wird bei den Arbeiten wegen der dubiosen Funde mit einbezogen – angeblich wurde bereits eine Waffe gefunden.

Zu Beginn der Aktion fischten Fischer mit Netzen aus dem Niedrigwasser noch Forellen  und bis zu 20 Kilo schwere Karpfen heraus. Mehr als vier Tonnen Fische retteten sie insgesamt, die jetzt eine kurze Kanal-Pause einlegen müssen. Sie werden gezählt und vom Fischdoktor inspiziert. Dann werden sie wieder frei gelassen – am Anfang oder am Ende des Kanals, wo jedenfalls wieder normaler Wasserstand ist.

Fast zehn Millionen Euro kostet der Frühjahrsputz. Auch acht der neun Schleusen werden restauriert und die Brücken überprüft. Die Pariser Wasserwege sind wichtig für die Stadt: 90 Prozent der Baumaterialien wie Sand und Kies – aber auch der Schutt nach Abrissarbeiten – werden über diese Wasserwege in die Stadt oder hinaus geschafft. Auf dem Canal Saint-Martin tuckern aber normalerweise vor allem Privatboote und Ausflugsschiffe mit Touristen, während am Ufer viele einen Spaziergang unter Platanen oder ein Picknick machen. An den Sommerabenden ist hier oft Party und Apéro angesagt. Auch wegen der vielen Bars und Boutiquen des In-Viertels drumherum.

Am Grund des Kanals verschlammten 100 Vélibs

Am Grund des Kanals verschlammten 100 Vélibs

Fast zehn Millionen Euro kosten die Bauarbeiten und der Abtransport des Schlamms sowie des Mülls. Und Anfang April soll das Wasser dann wieder hineinfließen dürfen, ganze 90000 Kubikmeter, was 36 Füllungen olympischer Schwimmbäder entspricht.

Es war Napoléon, der den Canal Saint-Martin Anfang des 19. Jahrhunderts bauen ließ. Einerseits für den Warentransport, andererseits um Paris mit Wasser zu versorgen. Die Einweihung fand 1825 statt. Seit Anfang der 1990er Jahre kann sich der Canal sogar Monument historique nennen. Die Hälfte des Kanals verläuft übrigens unterirdisch.

Paris-Tipp: Mal Höhenangst, mal Heiratsantrag

Für Menschen aus aller Welt geht ein Traum in Erfüllung, wenn sie den Eiffelturm besteigen. Aber wie ist es, wenn man täglich auf dieser Top-Sehenswürdigkeit arbeitet? Wilhelm Dubelloy stammt aus Mantes-la-Jolie westlich von Paris, hat eine deutsche Mutter und einen belgischen Vater, und arbeitet als Aufzugsführer und am Einlass des Turms.

Sie arbeiten seit 30 Jahren auf einem Sehnsuchtsort vieler Menschen. Ist das inzwischen für Sie eine ganz normale Aufzugskabine oder immer noch ein außergewöhnlicher Arbeitsort?

Zwischen Himmel und Paris: Willhelm Dubelloy im Eiffelturm-Aufzug

Warnt vor Taschendieben: Wilhelm Dubelloy im Eiffelturm-Aufzug, seinem täglichen Arbeitsplatz.

Wie bei jeder Arbeit wird auch die auf dem Eiffelturm mit der Zeit zur Gewohnheit. Aber trotzdem weiß ich, dass ich Glück habe, auf diesem einzigartigen Monument mein Geld zu verdienen. Egal, in welches Land man geht: Wenn man von Frankreich spricht, kommen die Leute gleich auf Paris und den Eiffelturm. Der Eiffelturm ist das Aushängeschild Frankreichs. Er ist einfach etwas Besonderes: seine Struktur, sein Alter, seine Geschichte. Er zieht einen an. Wenn ich ihn betrachte, denke ich: Wie kann es sein, dass er sich so gut erhalten hat? Weil er gut instand gehalten wird, weil viele Menschen für ihn arbeiten.

Bleibt Ihnen überhaupt noch Zeit, während Ihrer Arbeit den Ausblick zu genießen?

Hier ist viel Bewegung und Gedränge, da muss ich aufmerksam auf die Leute schauen. In verschiedenen Sprachen gebe ich Hinweise. Ich mag den Kontakt zu den Leuten. Wir haben hier einen melting pot von Menschen aus aller Welt, aus allen Religionen und Kulturen. Ich bitte die Touristen mit Rucksäcken, sie abzunehmen. Nicht nur, weil es andere Leute oft stört, sondern weil Taschendiebe dann leichtes Spiel haben. Aber mir bleibt immer wieder etwas Zeit, um auf das Pariser Häusermeer hinunter zu schauen. Paris von oben, das ist großartig. Mit den Jahreszeiten ändert sich die Stadt. Den Herbst mag ich am liebsten, wenn die Bäume rund um den Eiffelturm bunt werden, die Sonne scheint und das Laub fällt.

Was fragen die Touristen Sie häufig?

Wie viele Etagen es auf dem Turm gibt, wie die alten Hydraulikaufzüge funktionieren, ob es Pannen gibt. Manchmal stellen die Leute auch dumme Fragen: etwa wenn Leute auf der Spitze des Eiffelturms einsteigen und fragen, ob der Aufzug nach oben oder nach unten fährt. Aber ich kann das verstehen: Dieses außergewöhnliche Bauwerk bringt einen schon ein wenig durcheinander.

Jeder Tourist überlegt, wann wohl der beste Zeitpunkt ist, um den Eiffelturm zu besuchen. Was raten Sie?

Tipp Nummer 1: Wenn kann, der sollte die Treppe nehmen!

Eiffelturm intensiv: Wenn kann, der sollte die Treppe nehmen.

Kommen Sie früh am Morgen. Allerdings hängt das sehr von der Jahreszeit ab. Im Sommer sollte man schon eine Stunde vor der Öffnungszeit da sein, in der kälteren Jahreszeit reicht auch eine halbe Stunde. Aber auch zu den anderen Zeiten können Sie Glück oder Pech haben, das hängt stark vom Wetter ab. Wenn es regnet, sind die Schlangen nicht so lang. Samstags ist meistens sehr viel los. Im Winter, wenn keine Ferien sind, ist es immer ruhiger. Früher waren der November und der Januar immer recht ruhige Monate. Aber auch das ist vorbei. Rechnen Sie einfach immer mit einer langen Schlange.

Sollte man nicht eher abends hochsteigen? Man kann ja im Sommer sogar noch um Mitternacht hoch.

Eiffelturm am Tag oder am Abend – das sind zwei sehr verschiedene Erlebnisse. Wenn ich Tourist wäre, würde ich zweimal hochsteigen. Tagsüber haben Sie einen tollen Blick auf die Stadt. Abends sehen Sie das beleuchtete Paris und den beleuchteten Eiffelturm, dessen 20 000 Lichter zur vollen Stunde fünf Minuten lang glitzern. Abends geht es den Leuten natürlich oft um romantische Gefühle, da sehe ich viele verliebte Paare im Aufzug: Manche wollen den Sonnenuntergang erleben, sich auf dem Turm verloben oder sich sogar einen Heiratsantrag machen. Andere wiederum wollen auf der Spitze an der Champagnerbar ein Glas miteinander trinken.

Haben Sie auch manchmal sehr unangenehme Leute im Aufzug?

Selten. Manche sind ein wenig betrunken.

Trotz der Enge und der Massen bleiben Sie und Ihre Kollegen sehr freundlich. Das ist sicher nicht immer einfach, oder?

Zwischen Stahlträgern und Seine - auf dem Weg nach oben.

Unten die Seine: Auf dem Weg nach oben lohnt sich auch der Blick zurück.

Das gehört sich so. Es gibt schließlich auch Leute, die Angst vor dem Aufzug haben. Oder die denken, dass sie oben Angst bekommen werden – Höhenangst etwa. Diese Menschen werden noch ängstlicher, wenn ich gestresst und unhöflich bin. Mein Job ist doch auch, ihnen ein sicheres Gefühl zu geben. Manche fragen mich, ob sie ganz allein im Aufzug hochfahren dürfen, weil sie Platzangst haben. Das ist leider nicht möglich bei den vielen Menschen, die wir hier transportieren.

Und wie ergeht es diesen Leuten oben?

Manchen Menschen ist es auf der Spitze tatsächlich mulmig oder sogar schwindelig, sie gehen nicht bis nach vorne an das Gitter, sondern halten sich eher ein wenig an der Turmwand fest. Aber wenn sie wieder runterfahren, sind sie alle sehr stolz, dass sie oben waren. Sie kommen vielleicht nur einmal im Leben hierher und wollen ihrer Familie sagen: Ich war dort, ich habe es getan, ich war oben. Ich sehe das den Leuten im Aufzug an: Vorher haben viele ein ernstes, bleiches Gesicht. Danach schauen sie zufrieden und entspannter. Viele finden übrigens die neuen Glasböden in der ersten und zweiten Etage, durch die man nach unten in die Tiefe sehen kann, unheimlicher als die Turmspitze.

Was kann man tun, um möglichst viel vom Turm mitzubekommen?

Die Glasböden: Blick in die Tiefe von der ersten Etage.

Die Glasböden: Blick in die Tiefe von der ersten Etage.

Wer kann, sollte ihn wirklich besteigen und die Treppe benutzen bis zu zweiten Etage. Oder mit dem Aufzug hochfahren, aber dann über die Treppe wieder hinuntergehen. Man sieht den Turm mit ganz anderen Augen. Man sieht die Leere, kann anhalten und in die Ferne schauen, sieht die filigrane Struktur, die vielen Nieten, die Architektur. Man kann sich Zeit nehmen, Fotos machen.

Ärgern sich die Leute, wenn die Turmspitze im Nebel steckt?

Wenn es oben neblig und die Sicht stark eingeschränkt ist, dann werden die Besucher unten über die Anzeigentafeln darauf hingewiesen. Manche wollen gerade deswegen nach oben, weil es ein besonderes Erlebnis ist, in einer Wolke zu sein. Andere haben eben nur an diesem Tag Zeit, den Turm zu besteigen.

Was wäre Paris ohne den Eiffelturm?

Paris ohne Eiffelturm wäre nicht Paris. Andersherum gilt dasselbe. Als Gustave Eiffel den Turm baute, fanden ihn viele Pariser schrecklich und haben ihn bekämpft. Wenn die Kritiker in ihren Gräbern wüssten, dass er immer noch da ist, würden sie ihre Meinung ändern. Der Eiffelturm ist einzigartig in der Welt. Zwar gibt es in vielen Ländern Kopien von ihm, aber wir haben den echten.

(Das Interview stammt aus dem Fettnäpfchenführer Paris, dort gibt es auch weitere Tipps für den Besuch und Fakten zum Eiffelturm.)

Am Ende ganz oben im Himmel über Paris.

Am Ende ganz oben im Himmel über Paris.

Paris-Tipp: Auf den Spuren der Autoren

Paris war stets ein Anziehungspunkt für deutschsprachige Schriftsteller. Sie schrieben schwärmerische Gedichte über die Stadt, trafen andere Autoren oder kümmerten sich um Bücher, die die Nazis vernichten wollten. Ein Autor wurde allerdings von einem Ast erschlagen.

HEINRICH HEINE / FRIEDHOF MONTMARTRE

Heinrich Heine liegt unter weißem Marmor. Auf dem Plan des Friedhofs Montmartre hat sein Grab die Nummer 54. Über den Friedhof führt eine Autobrücke, Friedhofsstille kommt hier deswegen nicht auf. Emile Zola, Jacques Offenbach, Stendhal, François Truffaut, Hector Berlioz – sie alle leisten Heine hier Gesellschaft.

Heinrich Heines Grab

Heinrich Heines Grab in Paris

Auf Heines Grab liegen eine rosa Rose und zwei Bleistifte. Ein Tourist lässt sich fotografieren vor der romantisch-melancholischen Büste des Schriftstellers. „Sterbe ich in Paris, so will ich auf dem Kirchhofe des Montmartre begraben werden, auf keinem anderen, denn unter der Bevölkerung des Faubourg Montmartre habe ich mein liebstes Leben gelebt“, schrieb er in seinem Testament. Bei der Beerdigung Heines am Morgen des 20. Februar 1856 war nur ein kleines Häuflein Trauergäste da, überwiegend Deutsche.

Heine, geboren in Düsseldorf, sprach wie viele Gebildete damals die französische Sprache. 1831 siedelte er nach Paris über und schrieb für die „Allgemeine Zeitung“ in Augsburg über Frankreich. Immer wieder hatte er Geldnöte. Immer wieder hatte er mit Krankheiten zu kämpfen – mit Lähmungserscheinungen in der linken Hand und in der rechten Gesichtshälfte, mit Augenleiden oder Rückenmarksschwindsucht. In den 25 Jahren seiner Pariser Zeit wechselte er 24 Mal die Wohnung. Doch Paris war seine Stadt. In einem Brief an einen Freund schrieb er: „Fragt Sie jemand, wie ich mich hier befinde, so sagen Sie: wie ein Fisch im Wasser. Oder vielmehr sagen Sie den Leuten, wenn im Meer ein Fisch den anderen nach seinem Befinden fragt, so antwortet dieser: Ich befinde mich wie Heine in Paris.“ (Métro Place de Clichy)

ÖDÖN VON HORVATH / CHAMPS-ELYSEES

Ödön von Horvath hatte abergläubische Angst vor Autos und Flugzeugen. Auch Aufzüge mied er in Paris und nahm lieber die Treppen. „Vor den Nazis habe ich keine so große Angst. Es gibt ärgere Dinge, nämlich die, vor denen man Angst hat, ohne zu wissen warum. Ich fürchte mich zum Beispiel vor der Straße. Straßen können einen übelwollen, können einen vernichten. Straßen machen mir Angst.“ Das sagte er wenige Tage vor seinem Tod zu Klaus Mann.

Am Abend des 1. Juni 1938 ist Ödön von Horvath in einer Seitenstraße der Champs-Elysées unterwegs. Er ist in Paris, weil er mit einem Regisseur über die Verfilmung seines Romans „Jugend ohne Gott“ sprechen will. Es gewittert, ein heftiger Wind kommt auf. Beim Theater Marigny läuft er weiter Richtung Place de la Concorde. Plötzlich stürzt von einem Kastanienbaum ein Ast herab. Er trifft den Schriftsteller im Genick. Er ist sofort tot.

Horvath-Tafel in der Rue de

Gedenken an Horvath: eine Tafel in der Avenue de Marigny

Heute hängt an der Fassade des Theaters Marigny in der Avenue de Marigny eine kleine Erinnerungstafel aus Marmor an den Autor der „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Passanten eilen vorbei. Nur wenige Schritte weiter ist der Elysée-Palast, der Sitz des Präsidenten. Im Nachruf in der „Pariser Tageszeitung“, vom Schriftsteller Joseph Roth geschrieben, steht: „Ödön von Horvath, einer der besten österreichischen Schriftsteller, deutschsprachiger Ungar von Geburt, ist vorgestern in Paris das Opfer eines jener Unfälle geworden, die wir als ‚sinnlos’ zu bezeichnen pflegen, weil uns das Unerklärliche sinnlos erscheint.“

Nur wenige Tage vorher in Amsterdam, hatte Ödön von Horvath eine Wahrsagerin gefragt, ob der Vertragsabschluss zum Film denn zustande kommen würde. Die Frau sagte: „Sie werden, mein Herr, in Paris das größte Abenteuer ihres Lebens haben.“ (Métro Champs-Élysées-Clemenceau)

THOMAS MANN / HOTEL ST. JAMES ALBANY

In den Tuilerien springen Kinder auf einem Trampolin. Etwas weiter, hinter den großen Metallgittern des Parks, führt die Rue de Rivoli vorbei. Hausnummer 202: das Luxushotel St. James Albany. Vier Sterne, Spa. Der Louvre ganz nah, die Zimmerpreise ganz hoch. Die Dame an der Rezeption ist es gewohnt, dass hier immer wieder Thomas-Mann-Fans ins Foyer spazieren und am Innenhof einfach stehenbleiben und tief einatmen.

In diesem Hotel macht der Held von Thomas Manns Roman „Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ (1954) mit dem Namen Armand seine Erfahrungen als Kellner und Liftboy. Hier erlebt er seine amourösen Abenteuer – dieses Hotel ist Ausgangspunkt für seine Pariser Eskapaden. Im Aufzug trifft er Madame Houpflé wieder, deren Schmuck er auf der Reise nach Paris gestohlen hat. Sie lädt den „schönen Lifttreiber“ zu einem nächtlichen Rendezvous auf ihrem Zimmer ein. Und bietet ihm nach seinem Geständnis an, sie weiter zu bestehlen.

Im Restaurant, durch das man gehen kann, um wieder ans Tageslicht der Wirklichkeit zu gelangen, verspeisen Gäste Austern und trinken Champagner. Und so manch ein Mann-Leser wird in diesem Hotel sich wünschen, dass der große Autor den Roman doch nicht unvollendet hinterlassen hätte. (Métro Tuileries)

STEFAN ZWEIG / PALAIS ROYAL

Am Bassin des großen Springbrunnens lesen Leute Zeitung, andere essen ein Sandwich. Einige von Musée du Louvre erschlagene Touristen kommen hier, im Jardin du Palais Royal, auf den Stühlen wieder zu Kräften. Der Palais Royal war lange Zeit ein Ort, wo das Nachtleben pulsierte. Einst von Kardinal Richelieu im 17. Jahrhundert errichtet, wurden hier ein Jahrhundert später rund um den Palastgarten Häuser mit Arkadengängen gebaut. Läden, Kneipen, Wohnungen, Vergnügungsstätten, Huren – hier ging es rund. Da die ganze Anlage dem Herzog von Orléans gehörte, einem Verwandten des Königs, war das Gelände ein rechtsfreier Raum. Die Polizei hatte keinen Zutritt, und so wurde das Areal zu einem sozialen Zentrum für alle möglichen Versammlungen. Kein Wunder, dass hier Geschichte geschrieben wurde: Im Café Foy hielt der Journalist und Anwalt Camilles Desmoulins, auf einem Tisch stehend, mit einer Pistole in der Hand, am 13. Juli 1789 seine Ansprache, mit der er das Volk von Paris zum Sturm auf die Bastille aufrief: „Zu den Waffen, Bürger!“

Wer in diesem kleinen Park sitzt, der tut es wie einst der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942). „Die Geschichte Frankreichs sprach hier aus jedem Stein; außerdem lag nur eine Straße weit die Nationalbibliothek, wo ich meine Vormittage verbrachte, und nahe auch das Louvremuseum mit seinen Bildern, die Boulevards mit ihrem menschlichen Geström; ich war endlich dort, wohin ich mich gewünscht, dort wo seit Jahrhunderten heiß und rhythmisch der Herzschlag Frankreichs ging, im innersten Paris…“ (Métro Palais Royal/Musée du Louvre)

RAINER MARIA RILKE / JARDIN DU LUXEMBOURG

Spaziergänge durch Paris können Auslöser für Gedichte sein. Rainer Maria Rilke (1875-1926) etwa schrieb „Der Panther im Jardin des Plantes Paris“ oder „Karussell“. Dieses Karussell im Park Jardin du Luxembourg gibt es immer noch, es ist sogar das Originalkarussell, das Rilke einst beobachtete. „Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge und hält sich mit der kleinen heißen Hand, dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant.“ Der Elefant hat inzwischen eine graue Farbe bekommen. Den Hirsch gibt es noch, nur der Löwe scheint ausgetauscht worden zu sein. Die Karussellpferde tragen Patina und Kinderfingerkratzer. Während die Kinder ihre Karussellrunden drehen, sitzen die Eltern auf grünen Bänken und schauen genau zu.

Im Jardin du Luxembourg: Dieses Karussell fand Eingang in die Literatur

Dieses Karussell fand Eingang in die Literatur

Der Jardin du Luxembourg ist einer der Lieblingsparks der Pariser. Ein paar Schritte weiter blicken Schachspieler auf ihre Bretter, Ponys tragen adrett gekleidete Kinder auf ihren Rücken, auf den Metallstühlen sitzen Leute und lesen Bücher. Auch Erich Kästner hatte in seinem Lyrikrepertoire ein Gedicht „Jardin du Luxembourg“: „Alle Leute, auch die ernsten Herrn, spüren hier: Die Erde ist ein Stern! Und die Kinder haben hübsche Namen und sind fast so schön wie auf Reklamen.“ (Métro Jardin du Luxembourg)

DIE DEUTSCHE FREIHEITSBIBLIOTHEK

Es ist eine unscheinbare Adresse: 65, Boulevard Arago. Und doch haben hier einmal namhafte deutsche Schriftsteller gearbeitet: Johannes R. Becher, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Egon Erwin Kisch, Anna Seghers und viele andere. Ein Jahr nach den Bücherverbrennungen in Deutschland, als im Reich Hitlers die „undeutschen Bücher“ auf Scheiterhaufen landeten, wurde hier, am 10. Mai 1934, die „Deutsche Freiheitsbibliothek“ gegründet – man nannte sie auch „Bibliothek der verbrannten Bücher“. Die Eröffnungsrede hielten damals Egon Erwin Kisch und Alfred Kerr. Der Präsident dieser besonderen Bibliothek: Heinrich Mann.

An diesem Ort in Paris sammelte man die in Deutschland verbotenen Werke deutscher und ausländischer Schriftsteller. Man gab Mitteilungen heraus mit Nachrichten über Verfolgung und Widerstand in Deutschland. Emigranten trafen sich hier. Thomas Mann hielt Vorträge. Der Gründer der Bibliothek, der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler, Alfred Kantorowicz, bezeichnete diesen Ort als eine „Pflegestätte des deutschen Geistes im Exil“: „Bei der Nachricht von dieser öffentlichen Zurschaustellung des Rückfalls in die Barbarei und des manifesten Triumphes der Gegenaufklärung hatte ich mir in meiner Pariser Dachkammer vorgenommen, diesen Tag der Schande zu einem Ehrentage des Freien Buches und des Freien Gedankens zu machen.“

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris im Jahr 1940 mussten die Emigranten flüchten. Die Bibliothek wurde zerstört, 15000 bis 20000 Bände der Bibliothek verschwanden für immer. (Métro Glacière)

GÜNTHER GRASS UND PAUL CELAN / PLACE DE LA CONTRESCARPE

Wenn es warm ist, sind die Stühle auf den Terrassen der Cafés an der Place de la Contrescarpe immer gut besetzt. Ein Gitarrist spielt unter den Bäumen. Ab und zu fährt ein Motorradfahrer eine Runde um den Platz, langsam, um sein PS-starkes Gefährt allen vorzuführen. Touristen strömen aus der Marktgasse Rue Mouffetard. In der Aperitifstunde am späten Nachmittag stehen Gläser voller Heineken oder Rosé auf den Tischen. „In Paris, während ich schon an der Blechtrommel saß, war es Paul Celan, der mich auf Rabelais aufmerksam machte“, sagte Günter Grass einmal einem Radiosender. Vermutlich sprachen sie über den berühmten französischen Renaissance-Dichter hier, in einer der Bars an der Place de la Contrescarpe.

Dieser Platz war einer der Lieblingsplätze von Paul Celan. Der große Lyriker des 20. Jahrhunderts, dessen Gedicht „Die Todesfuge“ 1952 erschien, war oft im Quartier Latin unterwegs und saß stundenlang im Café La Chope an der Place de la Contrescarpe. Grass wiederum war 1956 nach Paris gezogen. Er lebte dort mit seiner Frau Anna in einem düsteren Hinterhof in der Avenue d’Italie, seine ersten beiden Kinder kamen in Paris auf die Welt. Hier schrieb er den Großteil seines Romans „Die Blechtrommel“. Der Roman, 1959 erschienen, wurde zum Bestseller und machte Grass zu einem Literaturstar im Nachkriegsdeutschland.

Wo heute Pariser und Touristen sitzen, tranken auch schon Grass und

Place de la Contrescarpe: Wo heute Pariser und Touristen sitzen, tranken auch schon Grass und Celan ein Glas Wein.

Mit Celan verband ihn eine intellektuelle Freundschaft. Immer wieder traf der damals noch unbekannte Grass (Jahrgang 1927) den jüdischen Autor Celan (1920), den die Nazi-Zeit traumatisiert hatte. Ende 1970 macht sich Celan selbst ein Ende, indem er sich in die Seine stürzte. Jahrzehnte später wird Grass in seiner Autobiographie „Vom Häuten der Zwiebel“ schreiben: „In Paris war Paul Celan nicht zu helfen“. (Métro Place Monge)

KURT TUCHOLSKY / PARC MONCEAU

Sonntagmorgens traben Hunderte von Joggern im Park Monceau im Kreis. Volkslaufstimmung. Vor dem mehrgängigen Déjeuner, dem Mittagessen, will manch ein Franzose hier noch ein paar Gramm verlieren. „Hier ist es hübsch. Hier kann ich ruhig träumen. Hier bin ich Mensch – und nicht nur Zivilist. Hier darf ich links gehen. Unter grünen Bäumen sagt keine Tafel, was verboten ist“, schrieb Kurt Tucholsky in seinem Gedicht „Park Monceau“. Der Park liegt im 8. und 17. Arrondissement von Paris. Der Schriftsteller und Satiriker Tucholsky, 1890 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, lebte ab 1924 in Paris. Er war Korrespondent, schrieb für die „Weltbühne“ und die „Vossische Zeitung“. In Paris blickte er mit Sorge auf Deutschland, warnte vor dem Nationalsozialismus. Seine Liebe zu Frankreich war groß: „Dank, dass ich in dir leben darf. (…) Du warst gastlich vom ersten Tage an. Du hast niemals den Fremden verspottet, wenn er Vokabeln, Bräuche, Stadtviertel verwechselte.“

Seit 1769 gibt es diesen kleinen englischen Park. Kurvige Wege, unregelmäßig aufgestellte Statuen – das war damals neu, anders als bei den traditionellen französischen Gärten. Claude Monet malte hier fünf Bilder. 1797 fand hier der erste Fallschirmsprung Europas statt aus 400 Metern Höhe. Heute lieben ihn die Familien. Kinder spielen auf einem Spielplatz oder fahren Karussell. Ein kleiner Wasserfall plätschert. Auf den grünen Bänken sitzen die Menschen in der Sonne, ihre Augen geschlossen. (Métro: Monceau)

Im Parc Monceau

Wo gehts zur Erde? Wo zum Wasser? Im Parc Monceau