Die Französin schwärmt nach dem Weihnachtskonzert von der neuen Pariser Philharmonie. „Was für eine tolle Akkustik!“ Ihr Mann stimmt ihr zu, während er den Wagen in Richtung Ringautobahn steuert. „Eigentlich wollte er gar nicht mitkommen, nach den Anschlägen“, fügt sie an. Dazu sagt ihr Mann jetzt nichts, vermutlich ist es ihm unangenehm, dass sie das erzählt. „Aber wir dürfen keine Angst haben“, schiebt sie noch hinterher. ––
In der Rue de Charonne herrscht Unsicherheit, was den Silvesterabend angeht. In dem Restaurant, wo am 31. Dezember seit vielen Jahren nach dem Menü vor dem Tresen immer getanzt wird, muss die Bedienung erst den Chef fragen, ob man dieses Jahr den Abend veranstaltet wie immer. „Naja, wegen der Anschläge bleiben die Touristen aus“, sagt sie. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt eine der Bars, die von den Terroristen beschossen wurde. Am 13. November starben dort 19 Menschen. Der herbeigerufene Chef sagt: „Ja, klar machen wir unser Silvestermenü.“ In seinem großen Kalenderbuch sind gerade mal sieben Reservierungen für den Silvesterabend vermerkt – bei Dutzenden von Tischen. ––
Im Bahnhof Gare de Lyon strömen die Reisenden zum TGV nach Marseille, als die Monitore dessen Abfahrtsgleis anzeigen. Doch ganz am Anfang des Bahnsteigs werden sie aufgehalten: Drei Mitarbeiter des Bahnunternehmens SNCF wollen die Tickets sehen und scannen. Die Schlange ist lang, Familienangehörige ohne Ticket dürfen nicht mit auf den Bahnsteig, um Adieu zu sagen. Verwunderung überall, doch die Reisenden sind geduldig. In diesen Tagen akzeptiert man es sogar, wenn man im kleinen Supermarkt um die Ecke seine Tasche für den Sicherheitsmann öffnen muss. ––
Am Rande der Bahnhofshalle hängt in einem Ständer ein neues Plakat, herausgegeben von der Regierung: mit gezeichneten Tipps wie man reagieren soll bei einer Terrorattacke. Für den Fall, dass man fliehen kann. Für den Fall, dass nicht. Die meisten Leute beachten es nicht. ––