Der Engel aus der Loge

Jemand hat Werbeprospekte in den Eingang zum Innenhof gelegt. Natalia Syed hebt sie auf und wirft sie in eine der grünen Mülltonnen. Sie schaut durch das schwere Eisengitter auf die Rue Oberkampf. Der Zeitungsausträger grüßt, sie nimmt ein Exemplar von „Le Monde“ entgegen für einen Bewohner im Haus.

Natalia Syed ist Concierge in Paris. Mit der Zeitung in der Hand geht sie zurück zu ihrer Loge, so nennt man in Frankreich die Wohnungen der Hausmeister. Ihre liegt im Erdgeschoss am Fuße des u-förmigen Gebäudes, für das sie zuständig ist.

„Kaum einer nennt mich noch Concierge“, sagt sie. Diese ältere Bezeichnung weckt bei den Franzosen das Bild einer strengen, überwachenden, neugierigen, ruppigen Dame aus dem vergangenen Jahrhundert, wie sie in vielen Filmen und Romanen vorkommt. Natalia Syeds Beruf trägt heute offiziell den Namen „Gardien“. Dass sie ihn einmal ausüben würde, hätte sie nie gedacht – obwohl ihre Mutter auch eine Gardienne ist.

Natalia Syed bei der Arbeit. Alle Fotos: Raphael Zubler, Zürich, http://www.raphaelzubler.com

„Ursprünglich wollte ich in der Modebranche arbeiten“, sagt die 39-Jährige, deren Eltern aus Portugal stammen. Doch nach ihrem Modestudium merkte sie beim Arbeiten im luxuriösen Prêt-à-porter-Geschäft, dass diese Glitzerwelt nichts für sie ist. „Unfreundliche Chefs, Arbeitszeiten ohne Ende.“ Als ihre Cousine hier im 11. Arrondissement von Paris aufhörte, als Concierge zu arbeiten, übernahm Natalia die Stelle samt Loge. Sie wollte das dann eigentlich nur drei Jahre lang machen. Heute lebt Natalia schon seit 17 Jahren mit ihrem pakistanisch-stämmigen Mann und ihren drei Kindern (19, 12 und 8 Jahre alt) eng gedrängt auf 30 Quadratmetern.

„Haben Sie ein Paket für mich?“, fragt ein Mitarbeiter eines Büros aus dem Haus. Natalia Syed geht in ihr kleines Wohnzimmer, wo im Fernsehen eine Intrigen-Serie läuft, und holt es. Päckchen annehmen, Post verteilen, Treppen putzen, den Innenhof kehren, Mülltonnen rausstellen, Glühbirnen wechseln: Das ist ihr Alltag. Sie ruft Handwerker, wenn es in einem Appartement Probleme gibt. Und sie macht auch Dinge, die eigentlich nicht in ihrem Vertrag stehen: Blumen gießen, wenn jemand im Urlaub ist. Bei Senioren an die Tür klopfen, wenn sie diese längere Zeit nicht gesehen hat. Ersatzschlüssel aufbewahren für den Fall, dass sich jemand raussperrt. Streit schlichten, wenn sich zwei Parteien angiften. Manche kommen auch zu ihr, weil sie ihr einfach ihr Herz ausschütten wollen. Sie sei Putzfrau, Hausmeisterin, Psychologin, sagt Syed. „Und Vermittlerin, ich kümmere mich um das soziale Miteinander.“ Für 1000 Euro netto plus Loge.

Und Natalia wacht, am Tag und in der Nacht. Einbrecher haben es hier schwer. An der Loge kommt jeder vorbei, der ein oder ausgeht. Als Vollzeit-Concierge muss sie von 7 bis 12 und von 16 bis 19 Uhr zur Verfügung stehen. Und nachts hier schlafen. Sie sei Gardienne auch im Schlaf, sagt sie. „Ich habe die Augen geschlossen, aber die Ohren offen.“ Sie kennt Kolleginnen, die stets am Fenster hängen würden und alles mitkriegen wollen, was im Hof geredet wird. „Das ist doch ein bisschen krankhaft, das ist wie bei den Concierges vor 30 Jahren, so bin ich nicht.“

Sie hat schon Diebe vertrieben, zwei Selbstmordversuche von Mieterinnen erlebt, eine tote Seniorin aufgefunden. Und Herz gezeigt gegenüber Obdachlosen. Als der Winter so bitterkalt war vor drei Jahren, wollte einer im Kellereingang schlafen. „Ich durfte ihm das nicht erlauben, aber ich gab ihm etwas Warmes zu essen und zu trinken.“ Syed ließ ihn neben den Mülltonnen schlafen bis zum Morgen. Solange das kein Besitzer sehe, ginge das schon mal.

Wohnen im Hinterhof: die Loge von Natalia Syed und ihrer Familie

70 Parteien wohnen in dem Gebäude mit der Klinkerfassade, fast alle sind Wohnungsbesitzer. 70 Parteien, das sind auch 70 Chefs. „Die meisten sind sehr nett“, sagt Natalia Syed, aber es gebe immer jemanden, der von oben auf sie herabsehe. Der sagt: Concierge? Die braucht man doch nicht.

Lange Zeit dachten viele Eigentümer so. Fast 30.000 Concierge-Stellen wurden in Frankreich in den vergangenen drei Jahrzehnten gestrichen, 52.000 gibt es noch. Es stand nicht gut um die Zukunft des Berufs. Denn die Eigentümer zogen es vor, Logen zu verkaufen oder zu vermieten, wenn die Concierge in Rente ging, oder einfach einen Fahrrad-Abstellraum daraus zu machen. Ein Zahlencode an der Haustür, eine Videokamera für die Überwachung und externe Reinigungsfirmen ersetzten die Concierge. Das ist billiger.

Inzwischen bereuen das viele. Nicht nur, weil eine Concierge einem oft Gefallen tut und für gute Atmosphäre sorgt. „Viele Bewohner fühlen sich sicherer, wenn sie wissen, da hat jemand ein Auge auf alles“, sagt Philippe Dolci von der nationalen Hausmeistergewerkschaft Snigic. Gerade in diesen Zeiten der Anschlagsgefahr und des Ausnahmezustands im Land. Viele Eigentümer in Luxusgebäuden wollen gerne ihre Concierge wieder, aber oft ist es zu spät. „Ist die Loge erst einmal verkauft oder vermietet, ist das selten möglich.“

Natalia Syed und ihr Sohn in der Loge

Hatte es bisher Tradition in Paris, dass vor allem zugewanderte Portugiesen diese Jobs übernahmen, interessieren sich in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit auch immer mehr Franzosen für einen Gardien-Job. „Concierge wird man nicht unbedingt, weil man diesen Beruf schon immer machen wollte“, sagt Dolci. „Sondern weil man arbeitslos ist, eine Wohnung braucht oder es die eigene Mutter schon gemacht hat.“ Für viele Concierges – zwei Drittel sind Frauen – ist der Beruf sehr stressig. „Schon allein deshalb, weil man ständig dort lebt, wo man arbeitet.“

Wie wichtig die Präsenz einer Concierge in Sachen Sicherheit sein kann, zeigte die Terrornacht vom 13. November 2015 in Paris. Damals hatten mehrere Gardiennes ihre Innenhöfe geöffnet, damit sich Anschlagsopfer und Verängstigte dorthin flüchten konnten. Auch Natalia. Ihr Wohnblock liegt direkt neben dem Konzerthaus Bataclan, wo drei Attentäter 90 Menschen töteten und Hunderte verletzten.

„An jenem Abend wollte ich mit meiner Familie eigentlich in die Bar des Bataclan, um dort Fußball zu schauen“, sagt sie. Das Konzert der US-Band Eagels of Death Metal mit 1500 Besuchern lief schon. Ihre Tochter brauchte mal wieder mehr Zeit zum Schminken, während Natalia vor dem Haus wartete. Plötzlich hörten sie Knallgeräusche. „Da die Rue Oberkampf ja eine beliebte Ausgehstraße ist, dachte ich erst, es sind Knallkörper“. Doch es waren Schüsse.

Sie sah Menschen aus der Richtung des Bataclan durch die Straßen rennen, dann Einsatzfahrzeuge heranrasen. Sanitäter fragten, ob sie ihren Innenhof nutzen könnten. Kaum hatte sie das Eisengitter geöffnet, flüchteten sich Leicht- und Schwerverletzte hinein, manche blutüberströmt. Zeitweise bis zu 80 Menschen fanden im Hof Zuflucht, sagt Natalia. Irgendwann mussten sie das Eisentor schließen, weil es zu voll wurde. Sogar in ihre eigene kleine Wohnung brachte Familie Syed die Verletzten. Vor allem die, die völlig panisch waren oder unter Schock standen, „damit sie den Horror im Hof nicht anschauen mussten. Hier konnten sie sich ein bisschen sicherer fühlen“. Auf ihrem Sofa lag ein Polizist einer Eliteeinheit. Ihm fehlte ein Finger.

Wichtig im Alltag einer Concierge: les clés.

Der Innenhof, normalerweise ein Ort der Ruhe, war bis drei Uhr morgens die Hölle. „Ein Kriegslazarett, wo Ärzte Not-Operationen machten.“ Die Wände sind sehr hoch, die lauten Schreie der Verletzten hallten wider. Natalia, ihr Mann und ihre beiden älteren Kinder halfen zusammen mit Nachbarn, so gut es ging. Sie beruhigten Verletzte, sagten den Sanitätern, um wen es besonders schlimm stand, gaben den Opfern Wasser. Drückten Kissen, T-Shirts, Verbandsmaterial auf stark blutende Schusswunden. „Wissen Sie, Verletzungen durch Kalaschnikow-Schüsse sind sehr schlimm“, sagt Syed. Im Haus wohnt ein Ärztepaar, Natalia Syed rief an und bat, erste Hilfe zu leisten. „Die Ärztin war – obwohl sie in einem Krankenhaus arbeitet – so geschockt von dem, was hier passierte, dass sie nicht weiterarbeiten konnte und zurück in ihre Wohnung ging.“

Morgens um halb fünf, als der Hof wieder menschenleer war, fing Natalia bereits das Putzen an. Entfernte das viele Blut, die Spritzen. Sammelte Personalausweise, Konzertkarten, Geldbeutel ein, die die Opfer verloren hatten. Die meisten Kinder im Haus hätten von den Ereignissen der Nacht doch nichts mitbekommen, sagt Natalia. „Ich wollte, dass sie sich nicht beunruhigen am Morgen, wenn sie aus dem Haus gehen.“

Wenn Natalia von diesem furchtbaren Terror-Abend erzählt, wirkt sie ruhig, klar, gefasst, wie eine nüchterne Beobachterin. Normalerweise sei sie keine starke Frau, sagt sie. Aber an diesem Abend sei das wie ein Reflex gewesen, ihr war sofort klar: Sie muss helfen. Funktionieren, damit Menschen überleben. Wie verarbeitet man das, diese Bilder, das Wissen, dass in diesem Hof Menschen starben? „Meine Therapie ist, darüber zu sprechen“, sagt sie. Und ihre Kinder? Der Achtjährige hat geschlafen und nichts mitbekommen von dem Grauen wenige Meter entfernt. Die Großen, die mithalfen, hätten es scheinbar gut verkraftet, glaubte sie zunächst.

Neben den Keksen die Auszeichnungen für die mutige Gardienne

Doch dann kam der erste Jahrestag im vergangenen November. Die Syeds wurden eingeladen zu einem Treffen der Terror-Opfer und deren Familien. Zwei Opfer, die im Hof Schutz gefunden hatten, haben bei dem Treffen ihre 19-jährige Tochter wiedererkannt und mit ihr gesprochen. Danach ist sie zusammengebrochen und hat den ganzen Tag geweint.

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat mehrere Concierges für ihren Einsatz als Anges-Gardiens, Engels-Hausmeister, bezeichnet und sie für ihre Hilfe ausgezeichnet – auch Natalia. Die zeigt ihre Medaille mit der Aufschrift „Sie schwankt, aber geht nicht unter“, dem Motto der Stadt Paris. Ihr Berufsstand sei dadurch geehrt worden, sagt sie. „Doch solches Metall ist mir recht egal“, sagt sie, „aber ich freue mich, wenn gelegentlich ein Opfer von damals bei mir vorbeikommt und sagt, dass es ihm wieder gut geht.“

Etwa die beiden Mädchen aus Lyon, die Natalia in einem TV-Beitrag wiedererkannten und zu ihr fuhren, um danke zu sagen. Oder Julien und Jerôme. Natalia holt einen kleines Stück Karton hervor, den am Jahrestag des Anschlags die beiden jungen Männer an ihre Tür steckten, weil sie nicht zuhause war. Darauf bedankt sich Julien, dass Natalia seinem Freund Zuflucht gewährt hat. Und Jerôme schreibt: „Das Leben ist mal mehr, mal weniger schön, aber das Leben ist da. Keep dreaming and loving.“

Nicht alles, aber vieles ist anders geworden für die Syeds seit dem 13. November 2015. Sie sei wachsamer geworden, sagt Natalia. Die Stadt Paris bietet den Gardiens inzwischen Erste-Hilfe-Kurse an – mit Blick auf zukünftige Anschläge. Das Attentat habe ihr die Augen geöffnet. Sie habe gelernt, bewusster zu leben, das Leben mehr zu genießen, „es kann von einem Tag auf den anderen komplett zusammenbrechen und anders sein“. Sie sei auch politischer geworden, sagt sie. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen ging  sie das erste Mal wählen, denn Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National mache ihr Angst. Sie wolle auch ihre Kinder politischer erziehen. Sie achte mehr darauf, was sie im Internet anschauten, welche Computerspiele sie spielten.

Nur wenige Schritte von Natalia Syeds Zuhause, gegenüber vom Bataclan: eine Gedenktafel. Inzwischen ist sie ersetzt worden.

Ihr Einsatz hat ihr viel Lob eingebracht – aber auch Anfeindungen. Sie ist Katholikin, ihr Mann Gabriel Muslim. Er kennt die misstrauischen Blicke ihm gegenüber schon seit den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitung Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt im Januar 2015. Nach dem Terror vom November habe das noch einmal zugenommen, sagt sie, dieser Generalverdacht gegenüber Muslimen. Nachdem Natalia in einem TV-Beitrag gewesen war, hat sie ein älteres Paar auf dem Gehweg angesprochen. „Toll, was Sie gemacht haben“, sagte die Dame. „Aber warum sind Sie denn als Katholikin mit einem Muslim verheiratet? Verlassen Sie ihn, bevor es zu spät ist. Muslime sind alle gleich.“

Natalia Syed war schockiert. Genauso über radikale Muslime, die sie kritisierten, weil sie gesagt hatte, die Attentäter seien keine Muslime, sondern Barbaren. „Solche Leute machen mir Angst.“ Plötzlich habe ihre Familie das Gefühl gehabt, vorsichtig sein zu müssen, was sie sage. Dabei sei Paris für sie immer eine kosmopolite Stadt gewesen, die zeige, wie das Zusammenleben der Menschen verschiedener Herkunft und Religionen funktioniere – trotz mancher Schwierigkeiten. Ihre eigene Ehe sei ein bestes Beispiel dafür. Um ein Zeichen zu setzen, half sie mit, eine interreligiöse Veranstaltung auf der Place de la République zu organisieren.

Es klopft, wieder will jemand bei Natalia ein Paket abholen. Sie steht auf vom Sofa, auf dem neuerdings eine weiße Decke liegt, um die hartnäckigen Blutflecken vom 13. November zu verbergen. Dann sagt sie noch: „Jeder sollte jeden Tag ein klein wenig tun für das gute Miteinander. Wir müssen stärker sein als dieser Hass.“

Ich danke dem Zürcher Fotografen Raphael Zubler für die Fotos. http://www.raphaelzubler.com

Paris-Tipp: Alltag nach dem Terror

Wer als Tourist in diesen Tagen durch Paris flaniert, der wird sich vielleicht wundern. Einerseits über die scheinbare Normalität in einer Stadt, in der mindestens bis Ende Mai noch der Ausnahmezustand gilt. Paris genießt die ersten Frühlingstage, die Terrassen sind voller Gäste. Und die Bars, welche die Terroristen am 13. November ins Visier nahmen, sind renoviert und gut besucht.

Andererseits spürt jeder die Folgen des Terrors im Alltag. Die Sicherheitsmaßnahmen kosten die Einheimischen und Touristen oft Zeit und Nerven. Nicht erst seit 2015. Denn die Pariser sind seit Jahren an den Sicherheitsplan gegen Terrorismus, den „Plan Vigipirate“, gewöhnt. Dazu kommt seit den Anschlägen auf die Redaktion des Satireblatts Charlie Hebdo im Januar 2015 noch die „Opération Sentinelle“ mit zahlreichen Soldaten und Polizisten in den Städten.

Touristen, die erstmals in Paris sind, wundern sich da manchmal. Worauf sollte man achten? Hier ein paar Tipps:

# An den Landesgrenzen gibt es verstärkt Kontrollen in den Zügen. Man muss deshalb gelegentlich mit leichten Verspätungen rechnen. Den Personalausweis sollte man immer dabei haben – auch beim Bummeln durch Paris. Auch auf der Autobahn kann es an der Grenze zu Kontrollen kommen.

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord: Wer Gepäck dabei hat, muss eine Kontrolle wie am Flughafen über sich ergehen lassen.

# Hin und wieder passiert es in den Bahnhöfen bei einer Reise mit dem TGV, dass Ihr Ticket schon vor dem Einsteigen in den Zug am Bahnsteig kontrolliert wird. Seien Sie deswegen mindestens 20 Minuten vor Abfahrt des TGV am Bahnhof – das betrifft zur Zeit vor allem die TGVs ab der Gare de Lyon nach Marseille und Lyon. Dort wird seit April zudem von der Police Nationale gelegentlich das Gepäck vor dem Einstieg kontrolliert. Begleitpersonen dürfen dann nicht mehr bis zur Einstiegstür für das Abschiedsküsschen mitkommen. Fahrgäste, die mit dem Thalys von Paris nach Deutschland fahren und Gepäck dabei haben, müssen flughafenähnliche Sicherheitsschleusen passieren. Dafür sollten Sie sogar noch mehr Zeit einplanen, das Thalys-Personal an der Gare de Nord empfiehlt 30 Minuten. Wichtig: Wer mit der Bahn reist in Frankreich, muss sein Reisegepäck mit Adress-Anhänger versehen.

# Egal ob im Theater, Museum, Konzertsaal, in Kirchen oder bei Sehenswürdigkeiten: Beim Einlass schauen die Sicherheitsleute kurz in Handtaschen und Rucksäcke. Gibt es Schleusen, läuft das ab wie am Flughafen: Metallene Gegenstände (Smartphone, Geldbeutel, Schlüssel, teils auch Gürtel) müssen in die Wanne für den Scanner. Üblich bei den Sicherheitskontrollen an Eingängen ist inzwischen auch, dass man den Mantel öffnen muss (einige der Attentäter vom 13. November trugen Sprengstoffgürtel).

# Wohl kaum ein Franzose würde verstehen, wenn Sie sich wegen der Kontrollen an Eingängen aufregen würden. Man lebt damit, denn nach den jüngsten Ereignissen möchte man das Maximum an Sicherheit. (Auch wenn man weiß: Es geht wohl meistens eher um ein Sicherheitsgefühl, das vermittelt werden soll.) Sogar bei den großen Einkaufszentren wie Forum les Halles, La Défense und Beaugrenelle muss man bei den Eingängen die Handtasche kurz aufmachen. (Zwei der Attentärer vom November hatten vor, auch in La Défense einen Anschlag zu verüben.) Selbst vor internationalen Institutionen oder Sprachschulen wie der Alliance Française ist eine Kontrolle am Eingang üblich.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlang, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlangt, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

# Lassen Sie nie eine Tasche, Tüte oder einen Rucksack irgendwo unbeaufsichtigt stehen – vor allem nicht in der Métro und in der RER. Auch nicht für kurze Zeit. Tagtäglich müssen Sie damit rechnen, dass es Verzögerungen, Zugausfälle und Streckensperrungen gibt bei Métro- und RER-Linien, weil herrenlose, verdächtige Gegenstände („colis suspects“) gefunden werden und dann zur Sicherheit unschädlich gemacht werden müssen. Allein auf der Strecke der RER A wurden 2015 täglich im Durchschnitt fünf colis suspects gemeldet – das waren doppelt so viele wie 2014.

# In Museen, Theatern oder bei Kulturveranstaltungen läuft wegen des Plan Vigipirate manches anders ab als früher. Deswegen: Es lohnt sich, vor dem Besuch auf die Website zu schauen. Beispiel: Eigentlich ist der Eintritt ins Fotografie-Museum Maison Européenne de la Photographie jeden Mittwochabend gratis. Aber weil es dadurch meistens zu einer langen Schlange auf dem Gehsteig kam, was man in diesen Zeiten vermeiden will, hat man dieses Gratis-Angebot gestrichen. (Trotzdem gibt es oft eine lange Schlange…) Manchmal sind auch zusätzliche Zweit-Eingänge zu Museen, Veranstaltungssälen oder auch Parks (wie dem Jardin du Luxembourg oder in Versailles) wegen des Plan Vigipirate derzeit geschlossen.

# Vor jüdischen Schulen und Kindergärten wie auch Synagogen sind Soldaten stationiert. Man sollte mit dem Auto nicht direkt vor den Eingängen dieser Einrichtungen anhalten, um zum Beispiel jemanden aussteigen zu lassen.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

# Große Gepäckstücke, Koffer und Rucksäcke darf man wegen des Plan Vigipirate weder mit ins Museum, Theater oder in einen Konzertsaal nehmen, noch kann man sie wie früher an der Garderobe abgeben. Im Louvre zum Beispiel sind nur Taschen erlaubt, die höchstens die Maße 55 x 35 x 20 Zentimeter haben, sie müssen dann an der Garderobe abgegeben werden. Kleinere Umhängetaschen sind kein Problem. Wenn Sie also nach dem Auschecken aus dem Hotel noch Zeit für ein Museum haben, lassen Sie das Gepäck am besten noch in Ihrem Hotel an der Rezeption zurück.

# Schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten gehören längst zum Stadtbild, gerade bei den beliebten Sehenswürdigkeiten. In Paris und in der Region Ile-de-France patrouillieren täglich 4000 bis 7000 Soldaten – der Einsatz trägt seit den Anschlägen vom Januar 2015 den Namen „Opération Sentinelle“. Passieren neue Anschläge wie kürzlich in Brüssel, wird die Zahl der Soldaten um mehrere hundert erhöht. Wenn Gruppen von Soldaten – etwa in der Métro oder RER – unterwegs sind: Sie mögen es manchmal gar nicht, direkt fotografiert zu werden und können sehr forsch reagieren.

Siehe auch: http://www.zeit.de/entdecken/reisen/2016-04/paris-tourismus-terror-sicherheit-alltag