Paris-Tipp: Alltag nach dem Terror

Wer als Tourist in diesen Tagen durch Paris flaniert, der wird sich vielleicht wundern. Einerseits über die scheinbare Normalität in einer Stadt, in der mindestens bis Ende Mai noch der Ausnahmezustand gilt. Paris genießt die ersten Frühlingstage, die Terrassen sind voller Gäste. Und die Bars, welche die Terroristen am 13. November ins Visier nahmen, sind renoviert und gut besucht.

Andererseits spürt jeder die Folgen des Terrors im Alltag. Die Sicherheitsmaßnahmen kosten die Einheimischen und Touristen oft Zeit und Nerven. Nicht erst seit 2015. Denn die Pariser sind seit Jahren an den Sicherheitsplan gegen Terrorismus, den „Plan Vigipirate“, gewöhnt. Dazu kommt seit den Anschlägen auf die Redaktion des Satireblatts Charlie Hebdo im Januar 2015 noch die „Opération Sentinelle“ mit zahlreichen Soldaten und Polizisten in den Städten.

Touristen, die erstmals in Paris sind, wundern sich da manchmal. Worauf sollte man achten? Hier ein paar Tipps:

# An den Landesgrenzen gibt es verstärkt Kontrollen in den Zügen. Man muss deshalb gelegentlich mit leichten Verspätungen rechnen. Den Personalausweis sollte man immer dabei haben – auch beim Bummeln durch Paris. Auch auf der Autobahn kann es an der Grenze zu Kontrollen kommen.

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord

Der Thalys im Pariser Bahnhof Gare du Nord: Wer Gepäck dabei hat, muss eine Kontrolle wie am Flughafen über sich ergehen lassen.

# Hin und wieder passiert es in den Bahnhöfen bei einer Reise mit dem TGV, dass Ihr Ticket schon vor dem Einsteigen in den Zug am Bahnsteig kontrolliert wird. Seien Sie deswegen mindestens 20 Minuten vor Abfahrt des TGV am Bahnhof – das betrifft zur Zeit vor allem die TGVs ab der Gare de Lyon nach Marseille und Lyon. Dort wird seit April zudem von der Police Nationale gelegentlich das Gepäck vor dem Einstieg kontrolliert. Begleitpersonen dürfen dann nicht mehr bis zur Einstiegstür für das Abschiedsküsschen mitkommen. Fahrgäste, die mit dem Thalys von Paris nach Deutschland fahren und Gepäck dabei haben, müssen flughafenähnliche Sicherheitsschleusen passieren. Dafür sollten Sie sogar noch mehr Zeit einplanen, das Thalys-Personal an der Gare de Nord empfiehlt 30 Minuten. Wichtig: Wer mit der Bahn reist in Frankreich, muss sein Reisegepäck mit Adress-Anhänger versehen.

# Egal ob im Theater, Museum, Konzertsaal, in Kirchen oder bei Sehenswürdigkeiten: Beim Einlass schauen die Sicherheitsleute kurz in Handtaschen und Rucksäcke. Gibt es Schleusen, läuft das ab wie am Flughafen: Metallene Gegenstände (Smartphone, Geldbeutel, Schlüssel, teils auch Gürtel) müssen in die Wanne für den Scanner. Üblich bei den Sicherheitskontrollen an Eingängen ist inzwischen auch, dass man den Mantel öffnen muss (einige der Attentäter vom 13. November trugen Sprengstoffgürtel).

# Wohl kaum ein Franzose würde verstehen, wenn Sie sich wegen der Kontrollen an Eingängen aufregen würden. Man lebt damit, denn nach den jüngsten Ereignissen möchte man das Maximum an Sicherheit. (Auch wenn man weiß: Es geht wohl meistens eher um ein Sicherheitsgefühl, das vermittelt werden soll.) Sogar bei den großen Einkaufszentren wie Forum les Halles, La Défense und Beaugrenelle muss man bei den Eingängen die Handtasche kurz aufmachen. (Zwei der Attentärer vom November hatten vor, auch in La Défense einen Anschlag zu verüben.) Selbst vor internationalen Institutionen oder Sprachschulen wie der Alliance Française ist eine Kontrolle am Eingang üblich.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlang, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

Kleine Veränderungen im Alltag: Vor dem Eingang des Tourismusbüros an der Gare de Lyon wird verlangt, aus Sicherheitsgründen nach und nach einzutreten.

# Lassen Sie nie eine Tasche, Tüte oder einen Rucksack irgendwo unbeaufsichtigt stehen – vor allem nicht in der Métro und in der RER. Auch nicht für kurze Zeit. Tagtäglich müssen Sie damit rechnen, dass es Verzögerungen, Zugausfälle und Streckensperrungen gibt bei Métro- und RER-Linien, weil herrenlose, verdächtige Gegenstände („colis suspects“) gefunden werden und dann zur Sicherheit unschädlich gemacht werden müssen. Allein auf der Strecke der RER A wurden 2015 täglich im Durchschnitt fünf colis suspects gemeldet – das waren doppelt so viele wie 2014.

# In Museen, Theatern oder bei Kulturveranstaltungen läuft wegen des Plan Vigipirate manches anders ab als früher. Deswegen: Es lohnt sich, vor dem Besuch auf die Website zu schauen. Beispiel: Eigentlich ist der Eintritt ins Fotografie-Museum Maison Européenne de la Photographie jeden Mittwochabend gratis. Aber weil es dadurch meistens zu einer langen Schlange auf dem Gehsteig kam, was man in diesen Zeiten vermeiden will, hat man dieses Gratis-Angebot gestrichen. (Trotzdem gibt es oft eine lange Schlange…) Manchmal sind auch zusätzliche Zweit-Eingänge zu Museen, Veranstaltungssälen oder auch Parks (wie dem Jardin du Luxembourg oder in Versailles) wegen des Plan Vigipirate derzeit geschlossen.

# Vor jüdischen Schulen und Kindergärten wie auch Synagogen sind Soldaten stationiert. Man sollte mit dem Auto nicht direkt vor den Eingängen dieser Einrichtungen anhalten, um zum Beispiel jemanden aussteigen zu lassen.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

Wo viele Touristen, dort auch Soldaten: Abendstimmung mit Militär auf dem Vorplatz von Sacré Coeur.

# Große Gepäckstücke, Koffer und Rucksäcke darf man wegen des Plan Vigipirate weder mit ins Museum, Theater oder in einen Konzertsaal nehmen, noch kann man sie wie früher an der Garderobe abgeben. Im Louvre zum Beispiel sind nur Taschen erlaubt, die höchstens die Maße 55 x 35 x 20 Zentimeter haben, sie müssen dann an der Garderobe abgegeben werden. Kleinere Umhängetaschen sind kein Problem. Wenn Sie also nach dem Auschecken aus dem Hotel noch Zeit für ein Museum haben, lassen Sie das Gepäck am besten noch in Ihrem Hotel an der Rezeption zurück.

# Schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten gehören längst zum Stadtbild, gerade bei den beliebten Sehenswürdigkeiten. In Paris und in der Region Ile-de-France patrouillieren täglich 4000 bis 7000 Soldaten – der Einsatz trägt seit den Anschlägen vom Januar 2015 den Namen „Opération Sentinelle“. Passieren neue Anschläge wie kürzlich in Brüssel, wird die Zahl der Soldaten um mehrere hundert erhöht. Wenn Gruppen von Soldaten – etwa in der Métro oder RER – unterwegs sind: Sie mögen es manchmal gar nicht, direkt fotografiert zu werden und können sehr forsch reagieren.

Siehe auch: http://www.zeit.de/entdecken/reisen/2016-04/paris-tourismus-terror-sicherheit-alltag

 

Paris-Tipp: Das 1×1 des Metrofahrens

Wer jeden Tag in Paris mit der Métro zur Arbeit pendeln muss, der hat es nicht leicht. Fünf Millionen U-Bahn-Nutzer pro Tag, die Enge, das Gedränge in den 16 Linien, im Sommer die Hitze, oft stinkt es nach Kloake. Und als ob das nicht schon genug wäre, drängeln sich auch noch Massen von Touristen durch das viertälteste U-Bahn-Netz der Welt.

Da wo Métro draufsteht, ist auch ne Metro drin.

Da wo Métro draufsteht, ist auch ne Métro drin.

Die Pariser halten sich recht diszipliniert an Métro-Regeln, auch wenn sie nirgendwo in der Métro explizit angeschrieben sind. Den Strom der Massen möglichst wenig behindern, darum geht es. Das geht schon bei den Rolltreppen und Laufbändern los: links gehen, rechts stehen. Man kann ja mal ausprobieren, zu zweit nebeneinander auf einer Rolltreppe stehen zu bleiben. Dann erlebt man, wie verärgert le Nachbar gucken kann oder wie er einem ungeduldig mit strengen Ton „Pardon!“ oder „S´il vous plaît!“ in den Rücken raunt.

Am Eingang der Métro erwarten einen die Drehkreuze (tourniquets): Man steckt vorne sein Métroticket hinein und nimmt es oben wieder heraus, dann kann man durchgehen. Obacht: Einige der Schleusen sind nur für Dauerkarteninhaber – da kann man kein Ticket einstecken. Da nervt man die Pariser, wenn man den Schlitz sucht und einen Stau produziert.

Bei den Drehkreuzen wissen Reisende mit großen Koffern oft nicht, wie sie da durchkommen sollen. Da hilft es, mal an die Seite zu schauen: Oft gibt es dort eine breite transparente Tür. Steckt man daneben sein Ticket ein, öffnet sie sich nach ein paar Sekunden und man kann ganz leicht mit Koffer oder Kinderwagen durchfahren. Gibt es die Tür nicht, dann viel Glück. Wenn man mit großen Koffern im Drehkreuz stecken bleibt, hilft nur eins: Warten, bis James Bond mit seinem Hubschrauber kommt und einen befreit.

Im Untergrund rechts gehen, links stehen.

Im Untergrund rechts stehen, links gehen.

Vorsicht übrigens mit den Métrotickets (tickets de métro): Sie funktionieren manchmal nicht mehr, wenn sie in Berührung mit Metall kommen – etwa mit dem Schlüssel. Dann kann man am Schalter um ein neues Ticket bitten. Auch sollte man das Métro- oder RER-Ticket bis zum Ende der Fahrt aufbewahren. Manchmal muss man es beim Ausgang nämlich noch mal einstecken. Und dann gibt es natürlich ab und zu freundliche Kontrolleure, die in den Gängen auftauchen… Ach ja: Die Tickets gibt es im Zehnerpack (un carnet) übrigens billiger!

Dann wären da noch die strapontins. So heißen die Klappsitze im Eingangsbereich der Waggons. Hier gibt es eine wichtige Regel: Man setzt sich nicht auf die strapontins, wenn die Bahn zu voll ist, denn dann nehmen die ausgeklappten Sitze noch mehr Platz weg. Bei der Rushhour sind die Dinger also tabu – selbst wenn man noch so touristenfutschikago ist.

Wenn die Métro richtig voll ist und man ist direkt an der Tür, dann sollte man auf den Bahnsteig treten, um die Leute rauszulassen. Wenn man jemanden zu nahe kommt oder gar anrempelt: „Pardon“ sagen. Die Franzosen sind wahre Höflichkeitsmeister.

In der Métro sind oft kleine Aufkleber mit einem Hasen drauf, der sich die Pfote einklemmt. Armer Hase, nicht lustig. Wenn das Signal ertönt, dass die Türen schließen, sollte man vor allem bei den Métrolinien mit den Doppeltüren (Tür der Métro + Tür am Bahnsteig) aufpassen: Die Türen schließen schnell und gnadenlos. Immer wieder verletzen sich Fahrgäste, weil sie schnell noch einsteigen wollen und dann eingeklemmt werden. So wie der Hase.

Métrostation Bastille: die Linie 1 hat am Bahnsteig eine Wand mit einer zweiten Tür.

Métrostation Bastille: die Linie 1 hat am Bahnsteig eine Wand mit Türen, die sich bei der Einfahrt der Métro öffnen.

Einmal kam ich mit meinem Métroticket einfach nicht mehr raus, das Drehkreuz wies mich ab. Auf der anderen Seite stand ein Mann, der mir ein Ticket entgegenstreckte – ich solle das nehmen, das würde funktionieren. In meiner Ratlosigkeit nahm ich die Hilfe an. Kaum war ich auf der anderen Seite, verlangte er recht aufdringlich Geld von mir. Die Lösung war: Ich hatte einen Übergang zur teureren S-Bahn RER  als Ausgang nehmen wollen, der Métro-Ausgang war hinter mir die Rolltreppe hoch. Die Typen kennen diese Stellen, wo Touristen plötzlich nicht mehr weiterkommen und versuchen, mit der Hilflosigkeit der Leute Geld zu verdienen.

Weil viele nicht mehr wissen, dass es eine Métro-Etikette gibt, hat der Pariser Métrobetreiber RATP eine kleine Höflichkeitsfibel erstellt. Der „moderne Reisende“ in der Métro macht sein Handy (portable) nicht unerträglich (insupportable) für die anderen, heißt es dort. Also: Lautes Telefonieren nicht erwünscht. Rucksäcke soll man abnehmen, um sie nicht aus Versehen dem Nachbarn ins Gesicht zu drücken. Und was das Flirten angeht: Vorsicht. Den Nachbarn anglotzen und anstarren? Non. Vor allem eine hübsche Frau nicht, selbst „wenn sie den Revolverblick hat“, heißt es in der Fibel. Man lässt sich in Ruhe – bis zur Rückkehr ans Tageslicht.

www.ratp.fr