Paris-Tipp: Montmartre ersteigen

Wer Tourist ist, hat meistens ein Pflichtprogramm. In Paris gehören da wohl auch Montmartre und die Basilika Sacré-Cœur dazu. Schöner Blick auf die Stadt. Und auf viele viele Touristen, deren Pflichtprogramm nun mal dem eigenen ähnelt.

Man kann ihnen am Anfang ein wenig aus dem Weg gehen, indem man Montmartre von Norden aus ersteigt. Also nicht die Métro-Stationen Anvers oder Pigalle nehmen, von wo aus die Massen gerne hochpilgern. Auch nicht Abesses (wenngleich diese Métro-Station für den Start einer Montmartre-Tour auch toll ist, weil man an einem hübschen Platz herauskommt). Sondern die 12 weiterfahren bis Lamarck Caulaincourt. Man schleicht sich also an den Rummel von hinten ran.

Wenn man rauskommt aus der Métro eine 180-Grad-Wendung machen und die Treppe hochsteigen. Am Vormittag könnte man jetzt auf die Idee kommen, erst mal einen zweiten Kaffee zu trinken, bevor man die bevorstehenden weiteren Treppen erklimmt. Wenn schon Pflichtprogramm, dann doch keine Eile. Also Blick nach rechts, 50 Meter gehen, auf der rechten Seite kommt Au Rêve (Zum Traum), eine kleine, enge Café-Bar mit roter Lederbank, kurzem Holztresen und auffallenden Glaslampen (89, rue Caulaincourt). Hier kommt morgens schon mal die Nachbar-Omi rein und plauscht mit der Chefin übers Wetter. Im Eck sitzt die skandinavische Studentin und fährt ihren Laptop hoch.

Am Tresen vom Au Rêve

Am Tresen vom Au Rêve

(Übrigens: Wer die Rue Caulaincourt runtergeht und dann noch in die anschließende Rue Custine, entdeckt alles, was ein Tourist ab und zu braucht: mehrere Bäckereien, Brasserien, einen kleinen Supermarkt, einen Laden mit Obst, das Plätzchen Jean Gabin, wo in der Brasserie Le Gabin im Sommer die Leute mittags draußen unter Bäumen essen. Nicht weit entfernt eine andere Brasserie mit dem namen Hope Café, wo im Sommer Bierbänke und -tische vor der Tür stehen. Eine Straße also, in der man in der Mittagszeit sich besser verpflegen kann als in manch teuren, schlechten Restaurants direkt auf dem Montmartre. Sicher, der Straßenverkehr ist hier etwas lauter als in den kleinen, engen Montmartre-Gassen. Aber hier kann man vom Montmartre-Getümmel gut pausieren.)

Wer die Rue Caulaincourt entlang spaziert, sieht immer wieder Treppen hinaufführen auf die Butte, den etwa 100 Meter hohen Hügel, zu Sacré-Coeur. Und man kann sich überlegen: Welche soll die meine sein? Zum Beispiel die direkt gegenüber vom Rêve. Am Ende der Treppe ist die Place Dalida mit einer Büste der Sängerin. Wer nun durch die Gassen spaziert, wird einen sehr alten Weinberg, eine Windmühle, die Mauer der Ich-liebe-Dichs, die Place du Tertre, Sacré-Cœur und alles finden, was im Reiseführer steht. Die Rue des Abesses lädt ein, in die Schaufenster zu schauen oder einen Apéro zu trinken. Von der dortigen Bäckerei samt Café Coquelicot (Hausnummer 24) schwärmen gern die Deutschen, weil man allerlei Kuchen (und auch salzige Snacks) bekommt. In Frankreich, wo das Kaffeekränzchen am Nachmittag nicht gepflegt wird, ist manch einer froh, hier eine schöne Aprikosentarte oder einen Marmorkuchen zu erstehen und diesen dann im ersten Stock oder an den Tischen auf dem Gehsteig genießen zu können.

Bäckerei und Café: das Coquelicot

Bäckerei und Café: das Coquelicot

Ach ja, Vorsicht, in der Basilika Sacré-Coeur wird man von einem überstrengen Aufseher gleich streng ermahnt, wenn man seinen Arm um Frau oder Freundin (Mann oder Freund) legt. Man solle gefälligst die Würde dieses Ortes achten, tadelt er. Ganz bestimmt hat kein Gott etwas dagegen, wenn zwei Menschen in einer Kirche sich mal halten und herzen. Aber so eine Diskussion fängt man natürlich am besten nicht an, sonst bringt einen so ein strenger Kirchenwächter sicher gleich in die Hölle.

Direkt östlich von dem Park mit den Treppen unterhalb von Sacré-Cœur ist übrigens eine frühere Markthalle zu einem Museum (unter anderem für naive Malerei) umfunktioniert worden (Halle Saint Pierre in der Rue Ronsard). Auch dort ein Café, wo es oft ruhiger zugeht. Und eine spezialisierte  Buchhandlung. Gleich nebenan, an der Place St. Pierre, lohnt es sich, mal durch eines der Textilkaufhäuser zu streifen. Von Baumwolle über Seide, Knöpfe, Strass, Pailletten – Stoffe in Massen zu günstigen Preisen. Man fühlt sich wie in ein einer völlig anderen Kaufhauszeit.

In der Welt der 1000 Stoffe

In der Welt der 1000 Stoffe

Nicht weit entfernt das Café de la Commerce (13, rue de Clignancourt Ecke Rue Pierre Picard) – auch in diese Brasserie verirren sich nicht so viele Montmartre-Touristen. Neon-Lampen, großer Spiegel, rote Decke, Mobiliarsmischmasch mit Patina. Eher normales Pariser Leben. Mittagstisch, der keine drei Sterne bekommt, aber ehrlich ist. Und wer hier weiterschlendert Richtung Métrostation Barbès Rochechouart, der taucht ein in ein Viertel, in dem viele Immigranten wohnen und wo die Welt plötzlich wieder eine ganz andere ist.

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